Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
Vom Netzwerk:
ich fortfuhr: »… und zwar mit einer sturzbetrunkenen Kollegin.
Sie kann nicht nach Hause. Ich kann nicht nach Hause. Und das Hotel ist
ausgebucht.«
    Â»Dürfte ich fragen, warum
nicht?«
    Â»Lange Geschichte. Kann ich sie
dir erzählen, wenn wir da sind?« Ich biss mir auf die Zunge, um nicht noch ein
›bitte‹ dranzuhängen.
    Er ließ sich die Sache kurz
durch den Kopf gehen, dann gab er mir seine Adresse. »Ich bin allerdings gerade
in der Innenstadt …«
    Ich hatte den starken Verdacht,
dass ich den Klub kannte, in dem er gerade war. »Wir auch, du bist bestimmt vor
uns da.«
    Â»Dann sehen wir uns bei mir.«
    Â»Danke, Asher.«
    Ich ging zurück zu Gina
an die Bar. »So, wir haben einen Plan. Gehen wir.« Ich zog sie sanft von ihrem
Barhocker.
    Â»Ich weiß nicht, warum ich das
gemacht habe. Ich hätte es doch einfach durchziehen können. Ich habe ihn
geliebt. Es war nicht seine Schuld …« Vor ihr standen drei neue, leere Gläser,
was mich dazu veranlasste, dem Barkeeper einen wütenden Blick zuzuwerfen. Der
zuckte nur mit den Schultern. »Ich hätte mitspielen können. Wenn ich nur stark geblieben
wäre«, lamentierte Gina weiter.
    Nicht-Wahrhaben-Wollen. Ich
bezweifelte zwar, dass Gina in einer Nacht alle Phasen der Trauer hinter sich
bringen würde, aber ich wollte sie auf jeden Fall hier raushaben, bevor sie zur
nächsten überging. »Komm schon, Gina.«
    Wir schoben uns schlurfend
durch die wachsende Menge, und jetzt beobachteten uns die anderen Gäste voller
Selbstgefälligkeit. Finster starrte ich zurück. Dann ging die Tür hinter uns
auf, und das Publikum des Ringkampfes strömte herein.
    Der Bär und der Wolf gingen in
menschlicher Gestalt vorneweg, jetzt einigermaßen bekleidet. Lucas trug ein
Tanktop, was angesichts des Wetters draußen völlig unpassend war. Der Bär mit
dem Blumenkohlohr befand sich neben ihm, und direkt dahinter – Jorgen. Ich versuchte
Gina dazu zu bewegen, etwas schneller zu gehen, und hoffte, dass sie uns nicht
gesehen hatten.
    Â»Edie?«, rief jemand hinter
mir. Gina wollte sich schon umdrehen, aber ich zog sie enger an mich. Es war
nicht mehr weit bis zur Tür. »Edie, warten Sie …«
    Stille breitete sich aus, und
der Türsteher von vorhin blockierte den Ausgang. Der musste sich gar nicht
verwandeln, um Furcht einflößend zu sein. Vorsichtig sah ich mich um … wenn nun
Lucas derjenige gewesen war, der mir diese Frauen auf den Hals gehetzt hatte?
Ich ging meine Möglichkeiten durch. Immerhin trug ich den Gürtel mit der
Silberschnalle. Ich könnte … Lucas streckte beschwichtigend eine Hand aus.
    Â»Hi.« Er lächelte und wirkte
zum ersten Mal, seit ich ihn kennengelernt hatte, glücklich – was allerdings
weniger als achtundvierzig Stunden her war, wie mir plötzlich auffiel. »Was
machen Sie denn hier?«
    Lucas stand so dicht bei uns,
dass ich mir seine Tätowierungen genauer ansehen konnte. Die an dem einen Arm
sahen aus wie die eines Häftlings: verblasste, schwarze Tinte. Der andere Arm
hingegen war im japanischen Stil tätowiert und wirkte richtig edel. Lucas war
verschwitzt, und seine Atmung hatte sich noch nicht wieder ganz beruhigt.
Jorgen stand dicht neben ihm und schien wieder einmal unzufrieden mit mir zu
sein.
    Â»Ich wollte nur meine Freundin
abholen.« All diejenigen, die bis jetzt so getan hatten, als würden sie uns
nicht beachten, hörten schlagartig damit auf. Es war ziemlich nervenaufreibend,
so im Mittelpunkt zu stehen. Dabei kam man sich vor wie ein Beutetier.
    Gina schwankte vorwärts und
wollte sich auf Jorgen stürzen. »Riechst du, dass ich jetzt keinen Umgang mit
Werbären mehr pflege, Arschloch?«
    Obwohl der Türsteher im Weg
stand, wollte ich sie die Treppe hochschleifen. »Ich hasse dich«, sagte sie und
zeigte mit dem Finger auf Jorgen. »Und dich auch«, machte sie bei Lucas weiter
– oder zumindest auf einen der vielen Lucasse, die sie wahrscheinlich sah –,
bevor sie der Reihe nach auf alle anderen Gäste deutete. »Und dich, und dich,
und dich …« Dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle, machte aus eigener
Kraft einen Schritt nach vorne und nutzte den Schwung, um mit der großen Geste
eines Predigers die ganze Menge zu umfassen. »Ihr seid alle Arschlöcher! Fahrt
zur Hölle!«
    Ich griff nach

Weitere Kostenlose Bücher