Visite bei Vollmond
bei Street View an, damit ich sie auch erkannte, wenn ich dort war.
Im Netz hatte das Gebäude wie
ein Lagerhaus gewirkt. Als ich davorstand, erkannte ich, dass es in
Wirklichkeit eine Bar war. Von auÃen ziemlich unauffällig â das Einzige, was
auf den Laden hinwies, war ein einsamer, groÃer Türsteher. Während ich auf ihn
zuging, fragte ich mich, wie das wohl ablaufen würde.
Ich grinste ihn hoffnungsvoll
an, als er mich musterte. »Du riechst nicht wie eine von uns.«
Na klar, eine Bar für
Formwandler. Danach hätte ich mich besser vorher erkundigt. Was, wenn die
Frauen, die ich nur knapp losgeworden war, dort drin waren? Liebe Raubtiere,
hier kommt das Hühnchen!
Aber wenn Gina sich in der Bar
befand, war garantiert alles in Ordnung. Oder die Formwandler hatten sie
entführt, und es war eine Falle. Eins von beidem. Der Türsteher beobachtete
mich immer noch skeptisch. Wenn mich da drin jemand tot sehen wollte, hätte
derjenige den Muskelprotz doch bestimmt angewiesen, mich reinzulassen, oder?
Ich hatte es mir zu
Angewohnheit gemacht, meinen Dienstausweis immer dabeizuhaben, für den
unwahrscheinlichen Fall, dass mir zufällig wütende Vampire, unfallgefährdete
Werwölfe oder promiskuitive Gestaltwandler über den Weg liefen. Ich holte ihn
aus der Tasche. »Ich bin auch keine von euch. Ich bin hier, um eine Freundin abzuholen.«
»Ah, die.« Er hielt mir die Tür
auf, ohne nach einem weiteren Ausweis zu fragen. Entweder war er telepathisch
begabt, oder er wusste bereits, wen ich abholen wollte. Gar nicht gut.
Das Innere der Bar sah
rustikal aus. Es war zwar nicht verqualmt, aber die Treppenstufen nach unten
klebten, und ich war froh, mich für diesen Laden nicht aufgebrezelt zu haben.
In der Mitte des Raumes stand eine runde Barinsel, in der ein Barkeeper
festsaÃ, daneben auf einer Seite Tische, auf der anderen eine Tanzfläche. Ganz
hinten an der Wand gab es noch ein paar sehr intime Sitzecken. Besonders groÃ
war der Laden nicht, dafür aber voll. Vier Nächte vor Vollmond und Silvester
brachten sich die Leute schon mal in Stimmung. Die Musik dröhnte, zum Tanzen
schien es allerdings noch zu früh zu sein.
Ich ging die Treppe hinunter
und versuchte, nicht so fehl am Platz zu wirken, wie ich mich fühlte.
Wenigstens musste ich mich nicht durch die Menge drängen â die Umstehenden
ignorierten mich zwar, machten mir aber Platz. So musste sich wohl dieser
vampirische Wegschaumechanismus anfühlen.
Während ich mir einen Weg
zwischen den trinkenden, plaudernden Grüppchen hindurch suchte, spürte ich ein
fast schon elektrisches Kribbeln an meinem Körper. Empfanden Haie so, wenn sie
durch das Meer glitten? Endlich entdeckte ich Gina: Sie saà an der Bar und
hatte das Gesicht auf die Arme gelegt.
Ich zog mir einen Barhocker
heran. »Hey, SüÃe.«
Sie hob den Kopf. Ihr Eyeliner
war verschmiert. Die Formwandler hier drin mussten ihr nicht ins Gesicht sehen,
um zu erkennen, dass sie geweint hatte. Sie konnten wahrscheinlich das Salz
ihrer Tränen riechen.
»Hi. Danke.«
»Kein Problem.« Der Barkeeper
warf mir einen fragenden Blick zu. Ich schüttelte den Kopf, woraufhin er sich
den nächsten Gast widmete. »Also, was ist passiert? Willst du drüber reden?«
Ich schob meinen Barhocker näher an ihren heran.
»Ich habe es beendet. Es war
hart.« Sie trank den letzten Schluck ihres farblosen Drinks und knallte das
Glas so heftig auf den Tresen, dass die Eiswürfel klapperten.
»Tut mir leid, Gina.«
»Muss es nicht. Ich habe keine
Ahnung, wie ich darauf kommen konnte, dass das zwischen uns funktioniert.« Sie
winkte den Barkeeper heran, der ihr Glas brav wieder auffüllte. »Er war so
verletzt, Edie. Das ist das Schlimmste.« Ich konnte ihre Alkoholfahne riechen.
»Ich habe ihm wirklich etwas bedeutet. Und er hat mir alles bedeutet.«
Ich lehnte mich zu ihr. »Was
ist denn dann schiefgelaufen?«
»Er wollte, dass ich mich für
ihn verändere.« Der Barkeeper stellte ihr den neuen Drink hin. »Und zwar nicht
nur im Sinne von ein paar Pfunde weniger, sondern das volle Programm.«
»Du meinst â¦Â« Ich musterte
betont die anderen Gäste. »Verändern im Sinne von verwandeln?«
»Jawohl.«
»Er wollte dich beiÃen?«
»Hat er schon. Es muss nicht
immer ein Biss sein, weiÃt du. Es gibt auch weniger brutale
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