Visite bei Vollmond
Gesicht. Und dann ist
ein Freund von mir aufgetaucht â ein Vampir.« Es ging natürlich ein wenig weit,
Dren als Freund zu bezeichnen. Aber ich war schlau genug, einen Vorteil darin
zu erkennen, einen gewissen Schutz vorzutäuschen â für den Fall, dass das Ganze
eine Verschwörung der Werwölfe war. »Sind Sie sicher, dass Viktor
dahintersteckt?«
»Sein und mein Rudel verbindet
eine lang zurückreichende Geschichte. An mich kommt er nicht ran, an Winter
jetzt auch nicht mehr, aber Sie wären leichte Beute â¦Â«
»Nehmen Sie es mir nicht übel,
aber ich kenne euch doch gar nicht. Warum sollte er mich angreifen?«,
unterbrach ich ihn.
»Mich kennen Sie. Und er würde
alles tun, um noch vor Vollmond für Ãrger zu sorgen.«
»Wenn ich dabei gestorben wäre,
hätte ich garantiert für Ãrger gesorgt!«
Lachend schüttelte er den Kopf.
»Wir müssen Ihnen ein paar Wachen organisieren, Edie.«
»Auf gar keinen Fall.«
»Mein Rudel ist Ihnen etwas
schuldig. Für das Leben meines Onkels, oder was davon noch übrig ist.«
»Ich ⦠ich kann euch nicht
vertrauen«, platzte es aus mir heraus. Seine Wut schien echt zu sein, und ich
wollte ihm trauen, aber eigentlich wollte ich das ja immer, was kein besonders
kluger Impuls war. »Ich würde gerne, aber ich kann nicht.«
Er musterte mich eindringlich,
und ich glaubte zu spüren, wie er meine Entschlossenheit abschätzte. Dann lieÃ
er die Autotür los und trat einen Schritt zurück. »Ich werde so schnell ich
kann herausfinden, wer das war, Edie. Ich sage Ihnen dann Bescheid.«
»Danke.« Ich schob den
Zündschlüssel ins Schloss und wartete, bis der Motor angesprungen war, bevor
ich mich wieder über Gina beugte, um die Tür zuzuziehen.
Lucas beobachtete mich mit
seinen Wolfsaugen. »Passen Sie gut auf sich auf, Edie.«
»Werde ich, versprochen.«
Er schlug die Beifahrertür zu
und lieà mich fahren.
Kapitel 27
Â
Gina
stöhnte während der Fahrt ein paarmal und tat mir furchtbar leid. Ich betrank
mich zwar nicht oft, aber ich wusste genau, wie sie sich morgen früh fühlen
würde â zumindest körperlich. Emotional ⦠ich stieà zischend die Luft aus. Eine
Beziehung mit einem Werbären? Fast einer zu werden? Und da hatte ich immer
gedacht, ich würde das Angebot an schlechten Ideen alleine abdeckten.
Ich folgte der Wegbeschreibung,
die Asher mir gegeben hatte, und kam so in eine Wohngegend, die mir völlig
fremd war.
Gehoben war wohl das richtige
Wort. Keine Emporkömmlinge, sondern alteingesessener Reichtum: zweistöckige,
frei stehende Ziegelbauten mit Dachgauben, umgeben von hohen, alten Bäumen.
Dies war die Welt der Normalen, fast wie aus dem Bilderbuch. Was ziemlich
seltsam war, denn immerhin wusste ich, dass Asher alles andere als normal war.
Ich bog in seine Einfahrt und lieà den Motor laufen, damit Gina nicht fror.
Der Asher, der mich an der Tür
empfing, war der Asher, den ich am besten kannte: gebräunte Haut, dunkle Haare,
dunkelbraune Augen. Er warf mir einen langen Blick zu und schaute dann über
meine Schulter hinweg zu Gina, die zusammengesunken auf dem Beifahrersitz
hockte. »Willst du sie in ein Gästezimmer bringen oder lieber in ein Gästebad?«
»Hauptsache gefliest.«
Er ging mit mir zum Wagen, und
wir holten sie ins Haus. Gina murmelte immer wieder traurig vor sich hin,
während Asher und ich sie durch die Eingangshalle schleppten. Gemeinsam
brachten wir auch die Treppe hinter uns, und oben half ich ihr in eine
Badewanne mit KlauenfüÃen, während Asher ein paar zusätzliche Handtücher holte.
Dann setzte ich mich auf die Toilette neben der Wanne und strich Gina übers
Haar. Asher kam zurück und lehnte sich gegen die Wand.
»Will ich wissen, was passiert
ist?«
»Mädchen trifft Werbär, Mädchen
verliebt sich in Werbär, Werbär sagt: âºWenn du mich liebst, lässt du dich von
mir beiÃenâ¹, Mädchen sagt Adieu.« Wie gerne hätte ich jetzt einen
Infusionsschlauch und einen Beutel mit flüssigen Vitaminen und Mineralien
dabeigehabt! Damit hätten wir Ginas drohenden Kater in Nullkommanichts im Griff
gehabt.
Asher zog die Augenbrauen hoch.
»Ich meinte mit deiner Wohnung.«
Ich schaute kurz zu Gina, aber
die würde sich wahrscheinlich sowieso an nichts hiervon erinnern
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