Visite bei Vollmond
können, also
erzählte ich ihm von Gideon und Veronica. Er stieà einen leisen Pfiff aus.
»Wie nett, dass sie bis nach
Weihnachten gewartet hat, bevor sie die beiden bei dir abgeladen hat.«
»Das kannst du laut sagen.« Das
hätte Jake den perfekten Erpressungsgrund geliefert, wenn ich während unseres
Weihnachtsessens einen schlafenden Vampir und einen verstümmelten
Tageslichtagenten in meinem Kleiderschrank versteckt hätte. Bei dem Gedanken
konnte ich nur fassungslos den Kopf schütteln.
»Meinst du, sie liegt hier
gut?«
»Ich hoffe es.« Gina hatte sich
in der Wanne ausgestreckt und wirkte ziemlich entspannt. Ashers Haus war gut
beheizt, aber wenn man derartig zugedröhnt war, sehnte man sich oft nach etwas
Kühlem, was die Keramikwanne zum idealen Liegeplatz machte. Mit einem tiefen
Seufzer stützte ich den Kopf in die Hände.
»Wie wäre es mit einem Glas
Wasser oder Wein?«
Wein wäre fantastisch gewesen,
wenn nicht direkt neben mir das perfekte Beispiel für eine leichte
Alkoholvergiftung gelegen hätte. »Wasser, bitte.«
Ich folgte Asher ins
Erdgeschoss. Das vordere Wohnzimmer hatte er in eine Bibliothek verwandelt,
inklusive offenem Kamin und groÃem Schreibtisch. Er hatte sogar schon ein Feuer
in Gang gebracht. »Lebt sonst noch jemand hier?« Plötzlich war ich mir nicht
mehr sicher, ob ich Gina allein lassen sollte.
»Nur ich«, versicherte er mir,
bevor er â vermutlich â in der Küche verschwand.
Ich wanderte durch den Raum und
überflog die Titel auf den Buchrücken. Regale voller Hardcovers und
Taschenbücher die, manchmal sogar zweireihig, zusammenstanden. Ich konnte alle
Titel zumindest teilweise erkennen: antike Philosophen, Science Fiction,
Biografien, Lebensgeschichten katholischer Heiliger.
»Du liest?«, fragte ich ihn,
als er wieder auftauchte.
»Ständig.« Er reichte mir ein
Glas Wasser. Ich nahm es ohne hinzusehen, und setzte dann meine Wanderung fort,
während er sich auf einer Ledercouch niederlieÃ. »Hör auf damit.«
»Ich kann nicht«, wehrte ich
mich. Ich nahm eine Hardcoverausgabe von Quo
Vadis aus dem Regal und entdeckte
dahinter zwei Stephen King Romane. »Du bist wie der Zauberer von Oz.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Ich befinde mich jetzt hinter
dem Vorhang. Das alles ⦠lässt dich menschenartiger erscheinen.«
»Du meinst menschlicher«,
korrigierte er mich.
»Das auch.« Die Couch, auf der
er saÃ, war so lang, dass locker er, ich und noch zwei weitere Personen meiner
Statur darauf gepasst hätten. Aber ich war einfach zu rastlos, um mich zu
setzen. »Es war ein verdammt langer Tag. Ich muss über einiges nachdenken.«
»Soll das heiÃen, da war noch
mehr?«
»O ja. Heute Nachmittag wurde
ich von zwei Werwölfen angegriffen.« Asher wollte offenbar aufspringen, doch
ich winkte ab. »Keine Sorge, Dren hat mich gerettet. Und wer hätte gedacht,
dass ich jemals die Gelegenheit haben würde, das mal zu sagen.«
»Was zur ⦠wo bist du da nur
reingeraten, Edie?«
»Das ist der springende Punkt:
Ich weià es nicht.« Ich schüttelte hilflos den Kopf. »Es ist zwar alles
ziemlich verworren, aber ich glaube nicht, dass ich jemandem auf die FüÃe
getreten bin.«
Er hob eine seiner Augenbrauen
bis fast auf die Stirn. »Hat das möglicherweise etwas mit deiner Funktion als
Gesandte an die Sonne zu tun?«
»Wohl kaum, aber sicher sagen
kann ich es nicht. Diese Werwölfe haben sich echt merkwürdig verhalten, Asher.
Als Dren aufgetaucht ist, schienen sie plötzlich irgendwie aufzuwachen.«
Er runzelte die Stirn. »Wann
musst du wieder zur Arbeit?«
»Morgen Nacht. Was ich richtig
gut finde, denn immerhin gibt es da Betäubungsgewehre.« Ich hörte auf, hin und
her zu tigern, und lehnte mich stattdessen gegen den Schreibtisch, auf dem sich
Papier stapelte.
Asher räusperte sich, um meine
Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Kann ich als dein Freund aus den Gefilden
der Freundschaft dir einen freundschaftlichen Vorschlag unterbreiten?«
»Aber gewiss doch.«
»Diesmal meine ich es ernst:
Verschwinde aus der Stadt.«
Ich biss mir auf die Lippe und
starrte auf die Bodendielen. »Ich brauche meinen Job, um Jake zu schützen,
Asher.«
»Auf mich hat er ziemlich clean
gewirkt.«
»O ja, das kann er gut.«
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