Vita Nuova
nein, das stimmt nicht … Ich hab mich geschämt, dass ich bei Gucci Schuhe anprobiert habe. Ja, ich hab Schuhe anprobiert, während … während … O mein Gott! O Gott!« Ihr Gesicht war leichenblass.
»Nein, nein, nein. So geht das nicht. Es hilft niemandem, wenn Sie die Schuld bei sich suchen. Atmen Sie tief durch. Hübsch langsam.«
Gott sei Dank gehorchte sie ihm folgsam. Er musste sie nach unten bringen, nach draußen an die Luft.
»Kommen Sie mit mir, kommen Sie. Wir gehen nach unten in den Garten, machen einen kleinen Spaziergang, bis Sie sich wieder beruhigt haben.«
Er ging vor ihr die steile Treppe hinunter, machte sich Sorgen, dass sie ohnmächtig wurde, ihm vielleicht nicht folgte. Solange sie ruhig und gefasst war, war sie ein recht fügsames Mädchen.
Sobald sie nach draußen traten, setzte er seine Kappe und die dunkle Brille auf. Er fühlte sich nun wieder sicherer und war direkt erleichtert, den Carabiniere auf sich zusteuern zu sehen, den er zu der Nachbarin gegenüber geschickt hatte.
»Begleiten Sie uns ein Stück, und berichten Sie, was Sie herausgefunden haben.«
»Es tut mir leid, aber da gibt es nichts zu berichten. Auch in der anderen Sache, die Sie erwähnt hatten …« Verlegen blickte er zur Schwester des Opfers.
»Schon in Ordnung. Ich denke, wir sollten uns den Garten einmal näher ansehen.«
Bestürzt blickte der junge Carabiniere den Maresciallo an. Er war noch relativ neu, begeistert von dem Job und ganz versessen darauf, mit den anderen zusammen weiter nach der Waffe zu suchen. Wahrscheinlich hoffte er darauf, derjenige zu sein, der sie entdeckte. Er hatte keine Ahnung, was er im Garten tun sollte.
»Die anderen durchsuchen gerade ein leerstehendes Häuschen direkt bei der Mauer. Ein kleines Tor führt auf einen Trampelpfad hinaus. Der Leutnant hat gemeint, dass es ganz einfach sei, von dort auf das Grundstück zu kommen und –«
»Kommen Sie mit uns«, unterbrach Guarnaccia seinen Untergebenen. »Es ist sehr angenehm hier … ein so großer Garten« – der Maresciallo tat, als schaute er sich bewundernd um –, »macht aber sicherlich auch recht viel Arbeit. Und dann auch noch der Pool …«
» Papà kümmert sich darum, außerdem haben wir diesen Mähroboter.«
»Aha, ja, ich glaub, ich weiß, was Sie meinen. Da gibt es sogar einen, der mäht das Gras von ganz allein … Ihr Vater arbeitet also gerne im Garten? Ach was, bestimmt haben Sie einen Gärtner.«
»Nein.«
»Und Sie? Haben Sie keinen Spaß daran, hier im Garten zu arbeiten?«
»Nein.«
Die Fragen langweilten sie, das war nicht zu übersehen. Nicht die geringste Reaktion. Wenn der kleine Piero der Sohn eines munteren Gärtners war, dann wusste sie zumindest nichts davon.
»Aber all die Hecken hier müssen doch geschnitten werden, und die Pflanzen brauchen bei dieser Hitze ständig Wasser … Wer kümmert sich denn darum?«
»Einmal im Monat kommt ein Aushilfsgärtner zum Schneiden der Hecken. Wir haben ein automatisches Bewässerungssystem. Früher einmal kam ein Mann …«
»Wann war das?«
»Hab ich vergessen. Ist ein paar Jahre her, aber Papà musste ihn feuern.«
»Wissen Sie noch, warum?«
»Ich glaube, er hat gestohlen. Sie hatten sich gestritten. Papà war stinksauer, weil er so ein undankbarer Bursche war.«
»Verstehe. Lassen Sie uns doch hier weitergehen … war das hier früher mal der Gemüsegarten?«
»Ja, ich glaube schon. Warum?«
»Ach, nur so. Hab vor kurzem einen ähnlichen gesehen, bei dem waren die einzelnen Beete auch von so kleinen Hecken abgetrennt. – Warum hätte er denn dankbar sein sollen? Der Gärtner, meine ich.«
»Weil er im Gefängnis gewesen war und Papà ihm den Job nur aus Gefälligkeit gegeben hatte.«
»Verstehe. Jeder, der aus irgendeinem Grunde wütend auf Ihren Vater ist, steht erst einmal unter Verdacht. Ich werde mit ihm reden, sobald er wieder hier ist. Was ist mit den beiden Mädchen, die Sie erwähnt haben? Die waren doch bestimmt hier, als … als Sie den Kleinen gestern in den Kindergarten gebracht haben. Ich muss mit ihnen reden. Sie haben gesagt, dass Sie gestern niemanden in der Nähe der Villa gesehen und auch kein Auto bemerkt hätten, als Sie zurückgekommen sind. Aber vielleicht haben die beiden ja etwas bemerkt. Ich hab sie gestern gar nicht gesehen.«
»Weil sie nicht da waren. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass niemand hier war, nur Mamma und ich. Sie kommen erst am frühen Nachmittag, bringen die Einkäufe und bereiten das Abendessen
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