Vita Nuova
Don Antonio etwas Geld. Er kann es wirklich brauchen.«
Ihr Gesicht leuchtete auf. Er konnte es noch immer nicht glauben, dass es Signora Paoletti war, die da vor ihm saß, sie war viel schmaler geworden, sah um einiges jünger aus und war ausgesprochen geschmackvoll gekleidet.
»Ich hab doch gewusst, dass Sie mir weiterhelfen würden.«
»Es wird alles gut werden. Sie haben jetzt ein neues Leben, können von vorn anfangen, und Sie haben diesen kleinen Jungen, dem Sie Ihre Liebe schenken können.«
»Sie sind ein guter Mann. Wenn ich jemals irgendetwas für Sie tun kann … ein Wort genügt.«
»Nun ja«, sagte Guarnaccia und sah zu, wie Piero mit blitzenden Lichtern an den Fersen zur Tür stapfte, »fürs Erste könnten Sie mir meine Mütze retten.«
»Und? Wie gefällt sie dir?«
»Besser als die letzte, viel heller.«
»Ja, schon, Salva, aber sie war auch ganz oben, kein Wunder, dass sie heller ist. Außerdem ist es ein wunderschöner Herbsttag. Denk doch mal an all die Treppen … für einen Aufzug gibt es keinen Platz. Es ist doch immer das Gleiche mit diesen alten florentinischen Häusern. Der Flur ist so eng und so schmal … außer in den großen Herrenhäusern natürlich. Stell dir vor, wie wir all unsere Einkäufe da hinaufschleppen müssen, all die Kisten Wasser.«
»Aber du sagst doch immer, dass es nur eine Investition sein soll, dass wir selbst nicht einziehen werden, sondern nur schon mal Eigentum erwerben, um uns für später eine gute Ausgangsbasis zu schaffen. Das hast du gesagt.«
»Ja schon, aber hundertzehn Stufen bleiben hundertzehn Stufen …«
»Okay.«
»Vielleicht sollten wir uns lieber nach etwas Neuerem umschauen, etwas außerhalb des Zentrums.«
»Okay.«
»Salva! Hör auf, immer nur ›okay‹ zu sagen. Es hilft uns nicht weiter, wenn du nicht ehrlich deine Meinung sagst. Du bist doch wohl nicht noch immer eingeschnappt, wegen dieser ›Tyrann von Syrakus‹-Bemerkung, oder?«
»Nein.«
»Was ist es dann?«
»Ich würde gern die Nachrichten sehen. Ich hab da was von einer Meldung gehört.«
Sie brachten es in den Lokalnachrichten, zwischen einem Bericht über die Demonstration gegen die neue Straßenbahnlinie und einem über den Transfer eines florentinischen Fußballspielers.
Zwei Pilzsammler hatten die Leiche entdeckt beziehungsweise das, was von ihr übrig war. Sie war vollständig bekleidet. In einem Bach in der Nähe hatte man eine Handtasche gefunden. Sie enthielt keinerlei Dokumente, die zur Identifizierung der Frau beitragen konnten, die zwischen achtzehn und zwanzig Jahre alt war. Allerdings hatte man in der Tasche ein paar Probeaufnahmen gefunden von ihr als Model. Eines zeigten sie auf dem Fernsehschirm, dunkle Locken, ein lächelnder, roter Mund, dunkel geschminkte Augen. Cristina. Sie hatte es geschafft. Sie war im Fernsehen.
M AGDALEN N ABB , geboren 1947 in Church, einem Dorf in Lancashire, England, gestorben 2007 in Florenz. Sie studierte an der Kunsthochschule in Manchester und begann dort zu schreiben. Seit 1975 lebte und arbeitete sie als Journalistin und Schriftstellerin in Florenz. Ihre Guarnaccia-Krimis machten sie berühmt – dreizehn Romane mit dem sympathischschrulligen Maresciallo sind bisher erschienen –, doch sie schrieb auch sehr erfolgreich für Kinder und Jugendliche, wie schon allein der Erfolg ihrer Finchen -Bücher zeigt.
Auf einer Anhöhe mit Blick auf Florenz steht das alte Landgut des Signor Paoletti, das er mit viel Pomp hat renovieren lassen. Doch so nobel, wie Paoletti tut, ist er bei weitem nicht. Mehr als einen schwarzen Fleck hat er auf seiner Weste, und als Guarnaccia die ›Personalvermittlung‹ näher untersucht, die Paoletti betreibt, wird der Maresciallo handfest bedroht.
»Magdalen Nabb hat mit dem bedächtigen Maresciallo eine ebenso sympathische Figur geschaffen wie Donna Leon mit ihrem Commissario Brunetti.«
Brigitte, Hamburg
Weitere Kostenlose Bücher