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Vita Nuova

Vita Nuova

Titel: Vita Nuova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brrazo
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den Tisch bekommen. Hab schon kurz mit Forli gesprochen. Technisch gesehen war die Kugel im Hinterkopf die Todesursache, sofortiger Eintritt des Todes, hat kaum noch geblutet. Aber über kurz oder lang wäre sie an den anderen Verletzungen sowieso gestorben.«
    »Aha. Die fehlende Kugel …«
    »Ich hab den Jungs gesagt, dass ich sie noch heute haben will. Ich hab mir die Videoaufnahmen von der Lage der Toten angesehen. Auf der Vergrößerung sieht es so aus, als sei die Kugel durch den Fotorahmen gegangen, der zerbrochen auf dem Boden lag. Irgendwo muss sie ja stecken. Um sechs gebe ich eine Pressekonferenz. Muss den Reportern ein bisschen Futter geben. Wir haben August, Sommerloch, die sind am Verzweifeln. Aber Sie brauchen deswegen nicht extra zurückzukommen. Sie haben mehr als genug zu tun, Maestrangelo kann das übernehmen.«
    Gott sei Dank! Der Capitano konnte so was richtig gut.
    »Also dann, Maresciallo, ich besorge Ihnen den Autopsiebericht so schnell wie möglich. Rufen Sie mich an, wenn es Neuigkeiten gibt …«
    »Ja … Die Schwester wollte den Jungen wieder in seinem Zimmer schlafen lassen, aber ich habe ihr erklärt …«
    »Nein, nein. Der Tatort bleibt weiter versiegelt. Ich spreche mit ihr. Ich möchte über alles informiert werden, Guarnaccia, über jede Kleinigkeit. Sie haben meine Handynummer. Rufen Sie mich an, jederzeit!«
    »Natürlich.« Wichtige Leute. Aber auch in dieser Geschichte gab es Menschen, die manchen Leuten weniger wichtig schienen.
    »Sonst noch was?«
    Der Maresciallo hatte sich von seinem Stuhl nicht fortbewegt, hielt die Hände mit der Schirmmütze unbeweglich auf den Knien.
    »Ja, die Arbeiter. Ich hab versprochen, dass ich ihnen Bescheid gebe, wenn sie morgen weitermachen können. Sie renovieren die Nebengebäude, hauptsächlich Dacharbeiten im Moment. Dort ist bereits alles abgesucht worden.«
    »Ach ja, gut, dann sollte das kein Problem sein.«
    Sehr schön, nun würden wenigstens ein paar Leute ruhig schlafen können. Guarnaccia allerdings gehörte nicht dazu. Er beschloss, nicht allein in der Küche zu essen. Das war einfach zu deprimierend. Nach einem längeren Kampf mit dem ›Ding‹, dem er die neuen Tagesbefehle anvertraut hatte, duschte er, zog sich um und ging zum Abendessen in den Offiziersclub. Er traf einen ehemaligen Kollegen, der erst kürzlich in den Ruhestand versetzt worden war und nun einen Job bei einem Großindustriellen angenommen hatte.
    »Er will einfach nur, dass ich da bin, damit ich als sein Auge fungiere, wenn er unterwegs ist. Ich hab kaum was zu tun und bekomme kein schlechtes Geld.«
    »Langweilt dich das denn nicht?«
    »Manchmal schon, aber man trifft immer wieder eine Menge Leute, mit denen man ein bisschen quatschen kann.«
    Mit einem guten Essen im Bauch gelang es Guarnaccia, sich rechtzeitig vor jenen deprimierenden Gesprächen in Sicherheit zu bringen, die sich einzig und allein um die Prostata-Probleme seiner Exkollegen im Ruhestand drehten, oder darum, wer alles in der Zwischenzeit gestorben war. Er schaffte es gerade noch rechtzeitig, zur Zusammenfassung seines Falls in den regionalen Spätnachrichten zu Hause zu sein. Dann schaltete er den Fernseher wieder aus und lief durch die Wohnung, als suche er etwas. Die Zimmer waren leer und still, und er würde dort nicht finden, was ihm fehlte. Viel zu spät, um sie jetzt noch anzurufen. Er hätte anrufen können, bevor er sich auf den Weg in den Club gemacht hatte, aber das hatte er nicht über sich gebracht, weil sie ihn bestimmt wieder nach der Wohnung gefragt hätte, wegen der er noch immer nichts unternommen hatte. Morgen würde er den Capitano treffen. Dann würde er mit ihm darüber reden, und morgen Abend konnte er Teresa dann anrufen.
    Er ging zu Bett und fiel in einen traumlosen Schlaf. Doch schon um fünf am nächsten Morgen öffnete er die Augen und war schlagartig hellwach. Zwei Fragen gingen ihm im Kopf herum: Der Mörder war kaltblütig genug, in aller Gemütsruhe zuzusehen, wie sie sich kriechend vor ihm in Sicherheit zu bringen versuchte, aber warum glaubte der Staatsanwalt, der Mann sei ein hervorragender Schütze, wenn doch eine Kugel fehlte? Der Mörder hatte ein sich extrem langsam bewegendes, sterbendes Ziel verfehlt! Als sie ihm in der Tür gegenüberstand hatte er ja wohl kaum danebengeschossen! Und warum benutzte die Mutter Ohrstöpsel in einer Umgebung, die so still war wie ein Friedhof?
    ›Die Bagger‹, beantwortete er seine Frage selbst und schloss wieder die

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