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Vittorio

Vittorio

Titel: Vittorio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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päpstlichen -, nicht neu in Stand gesetzt, sondern einfach verrammelt.
    Noch weit vor Anbruch der Morgendämmerung verließen wir mein Heim, aber vorher nahm ich am Grab meines Vaters Abschied.
    Ich wusste, dass ich zurückkehren würde. Ich wusste auch, dass die Bäume bald wieder den Hügel bis zu den Mauern hinauf erobern und Gräser in den Rissen und Sprüngen des Pflasters wuchern würden. Ich wusste, dass alles, was von Menschenhand stammte, bald vergehen würde, wie es bei so vielen Ruinen in der Umgebung geschehen war.
    Dann würde ich zurückkehren. Ich würde wiederkommen.
    In jener Nacht machten Ursula und ich in der Nähe der Burg Jagd auf ein paar Räuber, die wir in den Wäldern entdeckten, und wir lachten vergnügt, während wir sie fingen und vom Rücken ihrer Pferde zerrten. Das war ein wilder, lärmender Festschmaus.
    »Und wohin nun, mein Gebieter?«, fragte mich meine Braut gegen Morgen. Auch hier hatten wir eine schü-
    zende Höhle gefunden, tief im Berg verborgen und mit dornigem Gestrüpp überwuchert, das unsere undurchdringliche Haut kaum ankratzte. Sie lag verborgen hinter wilden Blaubeersträuchern, die uns vor allen Blicken schützten, sogar vor den Strahlen der aufgehenden Sonne.
    »Nach Florenz, meine Liebste. Da muss ich unbedingt hin. Es gibt dort ein paar Dinge, die ich mit eigenen Augen sehen muss. Und in den Straßen von Florenz werden wir weder Hunger leiden, noch müssen wir fürchten, entdeckt zuwerden.«
    »Aber um welche Dinge geht es genau, Vittorio?«, fragte sie.
    »Um Gemälde, meine Liebste, Gemälde. Ich muss mir die Engel auf diesen Gemälden ansehen. Ich muss ...
    ihnen Auge in Auge gegenüberstehen.«
    Sie war es zufrieden. Sie hatte die gewaltige Stadt Florenz noch nie gesehen. Sie war eine schreckliche Ewigkeit lang, während der es nur Rituale und höfische Regeln gegeben hatte, in den Bergen festgehalten worden.
    Nun legte sie sich neben mir nieder, um von Freiheit, von leuchtenden Farben, von Blau und Grün und Rot und Gold zu träumen, alles Farben, die so völlig im Gegensatz zu dem düsteren Rot standen, das sie immer noch trug. Vertrauensvoll legte sie sich neben mich; was mich selbst allerdings betraf, ich vertraute nichts und nieman-dem.
    Ich leckte mir das Menschenblut von den Lippen und fragte mich, wie lange mir wohl auf dieser Welt zu leben vergönnt wäre, ehe mir jemand mit raschem, sicherem Schwertschlag den Kopf abtrennen würde.

    15

    DIE UNBEFLECKTE EMPFÄNGNIS

    Die Stadt Florenz befand sich im Aufruhr.
    Ich fragte mich, warum.
    Die Sperrstunde war schon längst angebrochen, doch niemand kümmerte sich darum. In der Kirche Santa Maria Maggiori - das war der Dom - hatten sich unzählige Studenten eingefunden, die dem Vortrag eines Humanis-ten lauschten, der die Ansicht verbreitete, dass Fra' Filippo Lippi gar nicht so unanständig war.
    Von uns beiden nahm niemand besonders Notiz. Wir hatten recht früh, noch außerhalb der Stadt, getrunken und trugen dicke Mäntel. Was also konnte man außer ein paar Fleckchen bleicher Haut schon von uns sehen? Ich betrat die Kirche. Die Menge quoll fast aus den Portalen, so dicht gedrängt stand sie.
    »Was ist los? Was ist diesem großen Maler widerfahren?«
    »Ach, jetzt hat er es endgültig geschafft!«, sagte der Mann, der darauf antwortete, ohne mich oder Ursula, die sich mit ihrer schlanken Gestalt an mich geschmiegt hatte, auch nur anzuschauen. Er war viel zu beschäftigt, seinen Hals nach dem Redner zu recken, der weiter vorne stand und seine Stimme scharf in dem überwältigend großen Kirchenschiff widerhallen ließ.
    »Was hat er geschafft?«
    Als ich keine Antwort bekam, schob ich mich tiefer in das dichte Menschengewühl. Ursula, die vor einer so großen Stadt immer noch eine gewisse Scheu hatte, zog ich hinter mir her. Sie hatte in ihren mehr als zweihundert Le-bensjahren noch nie eine derart große Kathedrale gesehen.
    Erneut stellte ich meine Frage, dieses Mal an zwei junge Studenten, modisch gekleidete Jünglinge von etwa acht-zehn Jahren - in Florenz würde man sie als giovani bezeichnen: Jugendliche in der schwierigen Phase, in der sie zu alt waren, um noch als Knaben zu gelten, und zu jung, um schon Männer zu sein. Sie antworteten sofort:
    »Nun, er bat darum, dass ihm eine der hübschesten Nonnen für das Altarbild Modell sitzen sollte, das die heilige Jungfrau darstellte. Das hat er getan!«, sagte einer der beiden Studenten, ein schwarzhaariger Bursche mit tief liegenden Augen, während

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