Vittorio
Schätze dazu beigetragen hatten.
Natürlich war es im Laufe der Jahrhunderte zu Kriegen mit den umliegenden Hügelstädten und Festungen gekommen, Zeiten, in denen eine Burg von der anderen er-obert und Mauern niedergerissen wurden, kaum dass sie erbaut waren, und aus der Stadt Florenz waren die ewig im Streit liegenden mörderischen Guelfen und Ghibelli-nen geströmt. Damals hatte Florenz Heere ausgesandt, damit sie Festungen wie die unsere niedermachten und jeden für sie bedrohlichen Burgherrn aufs rechte Maß zu-rückstutzten. Aber das alles gehörte der Vergangenheit an.
Wir hatten überlebt, dank Gerissenheit und kluger Wahl der Bündnisse, aber auch, weil wir hier in diesem schroffen, unwirtlichen Gebiet weit vom Schuss waren; denn wir saßen hoch oben auf dem Gipfel eines Berges, dort, wo sich die Alpen bis in die Toskana erstrecken, und die übrigen benachbarten Burgen waren alle nur verlassene Ruinen.
Unser unmittelbarer Nachbar, der treu zum Herzog von Mailand stand, regierte seine eigene Enklave von Berg-dörfern. Aber er ließ uns in Ruhe und wir ihn. Diese rein politischen Angelegenheiten berührten uns nur indirekt.
Unsere Festungsmauern hatten eine Höhe von neun Metern und waren unglaublich dick. Sie waren älter als der Bergfried, älter sogar als die romantischsten Geschichten darüber, und wurden unaufhörlich verstärkt und in Stand gehalten. Die Anlage schloss drei Dörfchen mit guten Weinbergen ein, die einen herrlichen Rotwein her-vorbrachten; es gab Bienenstöcke, die reichlich Honig lieferten, und Brombeeren, Weizen und andere landwirt-schaftliche Erträge, jede Menge Federvieh und Kühe und dazu riesige Stallungen für die Pferde.
Ich wusste nicht, wie viele Menschen für uns arbeiteten.
Im Haus gab es genug Schreiber, die für solche Dinge zuständig waren, und nur selten saß mein Vater selbst über die diversen Klagen zu Gericht, auch gab es keine Veranlassung, etwas vor den Gerichtshof in Florenz zu bringen.
Die Kapelle unserer Burg war für das gesamte Gebiet ringsum vorgesehen, also kamen auch die, die weniger behütet in kleinen Flecken am Berghang unterhalb der Mauern lebten - und davon gab es eine Menge -, zu uns herauf, um die Kinder taufen zu lassen und Ehen zu schließen, und immer wieder beherbergten wir für längere Zeit einen dominikanischen Priester, der für uns jeden Morgen die Messe las.
In den alten Zeiten war der Wald an den Berghängen ra-dikal abgeholzt worden, so dass kein feindlicher Eindringling ungesehen bis auf den Gipfel gelangen konnte, doch in meiner Jugend waren solche Schutzmaßnahmen nicht mehr nötig. Das Grün war wieder herangewachsen, dicht und saftig stand es in den feuchten Mulden und überwucherte alte Pfade, teilweise schon so ungezügelt wie heute, und es reichte fast bis an die Mauerkronen.
Von unseren Türmen aus konnte man deutlich ein gutes Dutzend kleiner Städtchen sehen, die sich inmitten ihrer schachbrettgleichen Felder, Olivenhaine und Weinberge bis in die Täler erstreckten. Sie alle unterlagen unserer Verwaltung und waren uns treu ergeben. Wenn es Kriegshandlungen gegeben hätte, wären sie, wie schon ihre Vorfahren, hinter unsere schützenden Tore geeilt, das war ihr gutes Recht.
Es gab dort Jahrmärkte, Dorffeste und Feiern zu Ehren bestimmter Heiliger, und hin und wieder tauchte ein Adept der Schwarzen Künste auf, manchmal war sogar von einem Wunder die Rede. Dieses Land, über das wir herrschten, war ein gutes Land. Kirchliche Würdenträger, die uns aufsuchten, dehnten ihre Besuche stets lange aus. Es war nichts Ungewöhnliches, zwei oder drei Geistliche gleichzeitig in unseren Mauern zu beherbergen, sei es in einem der Türme oder auch in den flacheren, neue-ren, aus behauenem Stein errichteten Gebäuden.
Bereits in zartem Alter hatte man mich zur Erziehung nach Florenz gebracht, wo ich, von Luxus und vielfältigen Anregungen umgeben, im Palazzo eines Onkels meiner Mutter lebte. Er starb, als ich noch nicht dreizehn war, und erst da - als der Haushalt aufgelöst wurde - brachte man mich heim, zusammen mit zwei alten Tanten. Anschließend besuchte ich Florenz nur noch gelegentlich.
Mein Vater war tief in seinem Herzen immer noch sehr altmodisch, die Haltung des unbezwingbaren Fürsten war ihm angeboren, obwohl er es zufrieden war, fern von den Machtkämpfen seiner Hauptstadt zu leben; es genügte ihm, große Einlagen bei den Banken der Medici zu haben und auf seinem Land den altmodischen Stil früherer Feudalherren
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