Viva Espana
dass du aus meinem Leben verschwunden bist und jetzt, auf Befehl meiner Mutter, wieder auftauchst. Ich bin nicht dumm, Davina. Du hast wo hl der Versuchung nicht widerstehen können. Mit einem Ehemann, der ein nutzloser Krüp pel ist und dich nicht belästigen wird, kannst du dich offenbar abfinden, wenn du dafür den Rest deines Lebens im Luxus verbringen kannst."
„Hör auf, es reicht, Ruy", forderte seine Mutter ihn auf. „Ich habe Davina gegenüber so getan, als wäre es dein Wunsch, Jamie zu sehen." Sie zuckte die Schultern, als er sie stirnrunzelnd ansah. „Jetzt vergiss mal deinen Stolz. Jamie ist dein Sohn, noch einen wirst du wahrscheinlich nicht bekommen. Vermutlich wird er auch mein einziger Enkel bleiben. Deshalb sollte er dort aufwachsen, wohin er gehört und wo er später sowieso einmal leben wird."
In dem Moment beschloss Jamie offenbar, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Er zappelte mit Händen und Füßen, bis Davina ihn auf den Boden stellte. Dann lief er mit feierlicher Miene zu dem Rollstuhl hinüber. Davina wollte ihn zurückhalten und streckte die Hand aus. Doch ihre Schwiegermutter hielt sie am Handgelenk fest, und Jamie konnte ungehindert auf sein Ziel zusteuern. Vor Ruy, der ihn irgendwie hochmütig ansah, blieb er stehen.
„Ist er mein Daddy?" durchdrang die kindliche Stimme die Stille.
Davina räusperte sich. „Ja", erwiderte sie dann.
„Warum spricht er nicht mit mir?" wollte Jamie wissen und drehte sich zu Davina um.
„Hat er mich nicht lieb?"
Es schnürte Davina die Kehle zu, und Tränen schimmerten in ihren Augen. Vor diesem Moment hatte sie sich gefürchtet. Es kam ihr vor wie ein Albtraum, ihrem Sohn erklären zu müs sen, warum sein Vater ihn ablehnte. Doch dass sie es in Ruys Gegenwart tun musste, machte alles noch viel schlimmer.
Zum Glück rettete die Condesa die Situation. Sie legte Jamie die Hand auf die Schulter und lächelte ihn freundlich an.
„Natürlich hat er dich lieb, mein Kleiner. Das stimmt doch, Ruy, oder?"
„Welcher Mann kann schon sein eigen Fleisch und Blut verleugnen?" antwortete Ruy ironisch.
Wieso tun plötzlich alle so, als wäre alles in Ordnung? überlegte Davina. Ruy hatte sie beleidigt, doch ihrem Kind zuliebe war sie bereit, es hinzunehmen. Nie hätte sie sich vorstellen können, auf Jamies und ihrem Recht zu bestehen, falls Ruy sie wegzuschicken versuchte. Reichtum und Titel bedeuteten ihr nichts, für sie waren Liebe und Glück viel wichtiger. Doch Ruy hatte mit seiner Gefühllosigkeit und seinen haltlosen Beschuldigungen ihren Kampfgeist geweckt. Jamie hatte das Recht, hier im Palacio zu leben, und das musste sie seinem Vater klarmachen.
„Jamie ist dein Sohn, Ruy", erklärte sie ruhig. „Ich weiß, warum du es abstreiten möchtest. Es überrascht mich sehr, dass du unsere Ehe nicht schon längst hast annullieren lassen. Dann hättest du Carmelita heiraten, mit ihr Kinder haben und dir das, was jetzt geschieht, ersparen können."
Er lachte hart auf. „So einfach ist das alles nicht. Jamie wäre immer noch erbberechtigt, weil er meinen Namen trägt. Außerdem ist es egal, ob er mein Sohn ist oder nicht."
„Wollte Carmelita dich deshalb nicht heiraten?" Davina wusste selbst nicht, warum sie ihn ärgerte und verletzte. Vielleicht wollte sie sich rächen für den Schmerz, den er ihr zugefügt hatte. Zu sehr hatte sie gelitten, als sie herausgefunden hatte, dass Ruy sie nicht liebte. Er hatte sie nur benutzt, um der Frau, die er liebte, etwas zu beweisen.
„Carmelita hatte kein Interesse an einer rein platonischen Beziehung", erwiderte er verbittert. „Und da ich ihr das, was sie braucht, nicht mehr geben kann, hat sie sich einen anderen gesucht."
„Sie hat vor kurzem geheiratet und ist mit ihrem Mann nach Argentinien gegangen", mischte Sebastian sich ein. Plötzlich wurde Davina alles klar. Ruys Mutter hatte sich immer gewünscht, er würde Carmelita heiraten. Doch da sich offenbar ihre Pläne in Luft aufgelöst hatten, hatte sie sich entschlossen, sich auf das zu besinnen, was noch übrig war: auf Jamie.
Niemals werde ich zulassen, dass mein Sohn so kalt und ge fühllos wird wie sein Vater, nahm sie sich fest vor. Er würde nicht mit der Überzeugung aufwachsen, alles und jeden beherrschen zu können und auf niemanden Rücksicht nehmen zu müs sen.
„Es war ein langer Tag, und Jamie ist müde", sagte sie zu ihrer Schwiegermutter.
„Könnte uns jemand auf die Zimmer begleiten?"
„Du bist richtig kühl und mutig
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