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Viviane Élisabeth Fauville

Viviane Élisabeth Fauville

Titel: Viviane Élisabeth Fauville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Deck
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erwirken. Aber bald wird klar, dass ein fehlender Grund besser ist als eine Vielfalt unbefriedigender Motive, und was dem Schweigen angehört, wird dem Schweigen zurückgegeben.
    Die Person auf der Pritsche schwankt von rechts nach links und wieder zurück. Die Zeit vergeht und könnte ohne Ende weiterfließen, aber ein Ziehen im Rücken, ein Verklemmen des Knies bringen schließlich den Körper wieder dem Rest in Erinnerung. Führen dazu, dass man den Kopf anhebt, die Haltung ändert. Hinhorcht, was sich draußen abspielt, jenseits der Glastür, im Korridor, wo selten einmal ein Polizeibeamter vorbeigeht, der die Gefangene nie ansieht.
    Mitten in der Nacht holt man sie aus ihrem Käfig, um sie in das Büro zurückzubringen. Ein anderer Gast ist schon auf einem der Besucherstühle deponiert.
    Setzen Sie sich, Madame Hermant, befielt der Kommissar. Sie erzählen mir jetzt, wie Sie einander begegnet sind.
    Sie war es, protestiert Tony Boujon heftig. Sie war es, die mich angesprochen hat, dann wollte sie zu mir nach Hause mitkommen, sie hat alles eingefädelt.
    Und, Madame Hermant, was antworten Sie darauf?
    Es stimmt, sagt die Gedemütigte. Ich habe sein Foto in der Zeitung gesehen, ich weiß nicht, wie ich auf die Idee gekommen bin, ihn aufzuspüren, aber ich bin darauf gekommen, leider.
    Der Ablauf dieser Episode wird erfragt. Alles muss in den kleinsten Einzelheiten berichtet werden, die Annäherung, der Angriff, die ineinander verschlungenen Gliedmaßen, und auf welche Weise genau welche Flüssigkeiten ausgetauscht wurden, bis die Verdächtigen sich auf eine gemeinsame Fassung einigen. Dies macht keine besonderen Probleme, da der Angeklagte darauf achtet, jeden Anteil eigenen Verschuldens herunterzuspielen, während die Angeklagte sich bemüht, sich gefällig zu erweisen. Sie sagt, ja, das ist wahr, ich habe mich ihm an den Hals geworfen, dann weiß ich auch nicht, was in mich gefahren ist, ich habe ihn gekratzt, ich habe ihn gebissen, er hat sich verteidigt, wie er konnte, und der Junge ist begeistert von dieser Fassung und wiederholt Ja, Ja, so war’s, genauso ist es gewesen, sie wollte mich nicht loslassen, ich wusste nicht mehr, wie ich sie loswerden sollte. Die Polizisten nehmen diese Aussage auf. Manchmal heben sie den Kopf, es fällt ihnen schwer zu glauben, dass zwei Verdächtige sich derart eifrig verbünden. Aber Tony Boujon hat in der anderen Geschichte, der wichtigen, mit dem Arzt, ein bombensicheres Alibi. Er verpasst auch keine Gelegenheit darauf hinzuweisen, er musste früher als sonst zu seiner Arbeit an diesem Tag, eine Maschine war ausgefallen, man hatte ihn gerufen zur Unterstützung, und drei Arbeiter können bezeugen, dass er sich die ganze Nacht nicht vom Fleck gerührt hat.
    Dann ist Madame Hermant vielleicht Ihre Komplizin, suggeriert der Kommissar, vielleicht ist sie die Hand und Sie sind das Hirn in dieser Angelegenheit. Alle schauen einander an im Zimmer, überdenken diese Hypothese, schätzen sie jeder für sich ein, und da sie derart dumm ist, lässt der Kommissar, um nicht das Gesicht zu verlieren, sie als Erster fallen, er steht auf und ohrfeigt den Jungen, der auf den Boden rollt, dann verlässt er das Büro mit den Worten Kleiner Klugscheißer.
    Die Angeklagten wagen nicht, sich umzudrehen, um nachzusehen, ob der Inspektor immer noch in ihrem Rücken steht. Mühsam setzt sich Tony wieder auf, und sie warten, dem Willen des Befugten vollkommen ergeben. Schließlich ahnen sie, dass sie alleine sind, aber sie rühren sich immer noch nicht, sie bleiben lange Minuten, aus denen Stunden werden, auf ihren Stühlen sitzen. Kurz nach Morgengrauen befreit ein Polizeibeamter den Angeklagten und bringt die Angeklagte in ihre Zelle zurück.
    Mehrere Stunden verstreichen noch, in denen sie Knoten in ihre Haare macht, sich diesmal von vorne nach hinten wiegt, von der eigenen Bewegung hypnotisiert. Ein Polizist tritt in die Zelle ein und stellt ein Glas Wasser neben sie, fragt, ob sie auf die Toilette begleitet werden will. Sie antwortet Nein danke. Am späten Nachmittag öffnet sich erneut die Tür und es heißt Sie sind frei.
    Sie windet sich langsam aus der Zelle, bewegt sich zum Ausgang, an den vom Deckenlicht grell angestrahlten Wänden entlang, über die sie blinzelnd streicht für den Fall, dass sie als Abstützung benötigt werden, durchquert die Eingangshalle des

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