Vogel-Scheuche
ungeheuer vorsichtig sein, wenn man sie anruft.«
Sie gingen weiter und besuchten sämtliche historischen Räume des u r alten Schlosses, bis sie schließlich zu dem magischen Wandteppich k a men. »Ach ja, wie viele glückliche Stunden ich doch damit zugebracht habe, ihn zu beobachten!« rief Threnodia. »Er gibt die gesamte G e schichte Xanths wieder. Manchmal habe ich sogar davon geträumt, wi e der hier zu sein, und habe dabei an den großen Abenteuern der Verga n genheit teilgenommen.«
»Ich auch«, murmelte Ida, und ihr Mond geriet ins Wackeln. Sie warf Threnodia einen Blick zu, und die beiden Frauen tauschten ein Lächeln aus.
Die Besichtigung endete damit, daß Threnodia ihr Zimmer zugewiesen wurde. Weder Mauergestein noch Dachbalken protestierten bei ihrem Besuch, der Fluch war also tatsächlich wirkungslos geworden.
Da fing Threnodia an zu weinen. Jordan holte ihr von irgendwoher ein Taschentuch. Wie jeder Barbar hatte er nicht die geringste Ahnung, wie er mit einer weinenden Frau umgehen sollte. Doch es waren keine Tr ä nen des Schmerzes oder der Trauer, sondern der Erleichterung. Endlich durfte Threnodia in das Heim ihrer Kindheit zurückkehren. Das war die Erfüllung ihres sehnlichsten Wunschs.
Mit feucht schimmerndem Antlitz wandte sie sich an Metria und streckte die Hand aus. Die überreichte ihr die Vorladungsmarke.
Doch mit dieser Marke akzeptierte Threnodia noch etwas anderes. »Mutter«, sagte sie, auf eine Weise, wie sie es noch nie in ihrem Leben getan hatte. Diesmal war es frei von jeder schneidenden Bitterkeit. Sie nahm Metrias Hand und zog die Dämonin an sich, um sie zu umarmen. »Mutter, ich verzeihe dir alles, von dem ich dachte, du hättest es mir oder meinem Vater angetan. Willst du mir auch mein Verhalten verzeihen?«
Plötzlich fühlte sich Metria vom Gewicht ihrer Seele niedergedrückt – und dann mit einem Mal befreit! Jahrhundertelang war es ihr gleichgültig gewesen, wie ihre Tochter über sie dachte, ja sie hatte nur selten jemals einen Gedanken auf sie verschwendet. Doch ihre Seele hatte all dies verändert, und nun gab es nichts, was sie sich sehnlicher wünschte, als eine echte Beziehung zu ihrer Tochter herzustellen. Jetzt waren es ihre Augen, die von Tränen überströmten. »Ja! Ja, meine Tochter, ja«, sagte sie, und es war ihr gleichgültig, wie töricht es sich anhören mochte.
Und dann weinten sie zusammen, während die anderen im Kreis h e rumstanden und zusahen, und doch war es niemandem peinlich. Ta t sächlich waren nunmehr gleich zwei Flüche aufgehoben worden – jener, der auf dem Schloß gelastet hatte, und jener, der ihre Beziehung beei n trächtigte.
»Ich denke, wir haben uns jetzt genug umgeschaut«, meinte Cheiron. »Cynthia bleibt bis zum Prozeß hier, aber wir müssen jetzt wieder nach Hause.«
»Wir bleiben ebenfalls hier«, entschied Che. »Diese Reise hat sich b e reits gelohnt.« Er warf Cynthia einen Blick zu, worauf diese es verstand zu erröten, obwohl sie doch erst zehn Jahre alt war.
Metria mußte zustimmen.
6 – Wettkampf
Metria konnte leider nicht bleiben, um die Freude zu genießen, die nun im Schloß herrschte, denn sie hatte noch jede Menge drängender Ve r pflichtungen. Sie mußte den beiden Mundaniern Kim und Dug noch ihre Vorladungen überbringen, und um das zu erreichen, mußte sie erst ei n mal Arnolde Zentaur aufspüren und ihn verjüngen lassen, was wiederum bedeutete, daß sie erst Jenny Elfe und ihre Katze auftreiben mußte, die alles finden konnte. Also – wo war Jenny Elfe?
Hm, Jenny hatte in dem Spiel, das die beiden Mundanier nach Xanth führte, als Begleiterin gedient. Metria hatte selbst an diesem Spiel teilg e nommen, sie konnte sich noch gut an die Proben und Vorbereitungen unter Aufsicht von Professor Fetthuf erinnern. Nach dem Spiel waren alle wieder ihrer Wege gegangen. Doch Fetthuf wußte bestimmt, wo sie alle waren. Also würde sie ihn danach fragen. Sie beschloß, sich diesmal nicht wieder von ihm einschüchtern zu lassen. Sie würde sich ganz no r mal und indifferent geben, gleich, was geschehen mochte.
Gedacht, getan. Sie sauste zu den Dämonenhöhlen hinüber. Da war auch schon der Professor, der gerade eine neue Klasse einwies. »Aber falls ihr es überleben solltet«, donnerte er die Reihen teigiger Dämone n gesichter an, »werdet ihr eventuell denken wie echte Dämonen!« Er sah finster in die Runde, offensichtlich daran zweifelnd, daß derlei überhaupt möglich sei. Die Studenten reagierten
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