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Vogel-Scheuche

Titel: Vogel-Scheuche Kostenlos Bücher Online Lesen
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Der Zentaur aus Nordosten war Che, und er trug Gwenny Kobold auf dem Rücken. Im Alter von zehn Jahren war er zwar noch nicht gän z lich ausgewachsen, aber Gwenny war dafür auch nicht besonders schwer, und so bereitete es ihm keine allzu großen Schwierigkeiten, sie zu tragen. Die anderen waren Cheiron, Chex und Cynthia.
    Schon im nächsten Augenblick hatten die erwachsenen Zentauren Jo r dan und Threnodia mit ihren Schweifspitzen berührt und sie leicht we r den lassen. Dann stiegen die beiden auf, Jordan auf Cheiron, Threnodia auf Chex. Die vier Zentauren breiteten die Flügel aus und sprangen mit kräftigen Ruderbewegungen hoch in die Luft. Bald gewannen sie an H ö he, drehten gen Westen und hielten auf Schloß Roogna zu. Es war ein hübscher Anblick – einer, wie ihn Metria wahrscheinlich nicht zu würd i gen gewußt hätte, bevor sie eine Seele erhielt.
    Schon bald darauf erreichten sie das Schloß und landeten wieder. Aufmerksam blieben sie stehen und sahen zu, wie Jordan und Threnodia langsam auf das Schloß zugingen. Prinzessin Ida erschien am Haupttor in einem einer Prinzessin angemessenen Kleid und verharrte dort auf ähnliche Weise. Es schien, als sei ihr Mond zur Feier des Tages frisch gewaschen worden. Souffle, das Grabenungeheuer, hob das Haupt aus der Salzlake und orientierte sich. Alle wußten sie um die Bedeutsamkeit dieses Augenblicks. Und aller Augen hatten sich auf Threnodia geheftet.
    Die Frau war elegant gekleidet, sehr hübsch in ihrem dunklen Kleid, über das sich das schwarze Haar wie eine Stola ergoß. Ihre dämonische Herkunft ermöglichte ihr, jedes beliebige Aussehen anzunehmen, und so sah sie natürlich sehr schön aus. Gleichzeitig war sie aber auch unruhig, schließlich hatte sie sich über vierhundert Jahre lang diesem Gebäude nicht nähern dürfen, weil es sonst Gefahr gelaufen wäre, einzustürzen. Es war nicht zu übersehen, daß sie an der Unwirksamkeit des Fluchs genauso zweifelte wie die anderen. Doch schließlich gab es keine andere Möglichkeit, es zu überprüfen, als auf das Schloß zuzugehen.
    Sie gelangte ans Ende der heruntergelassenen Zugbrücke. Dort blieb sie stehen, faßte frischen Mut und setzte einen zierlichen Fuß darauf.
    Plötzlich gab es ein Rumpeln und Beben.
    Souffle machte einen Satz und streckte den Hals, als fürchtete das U n geheuer, daß ihm ein Stein auf den Kopf fallen könnte. Metria sank die halbe Seele in die Kniekehlen.
    »Ach, das ist doch nur ein unsichtbarer Riese«, warf Jordan ein. »Ich kann ihn schon riechen.«
    Und tatsächlich, jetzt wehte ihnen plötzlich der Gestank eines Riesen entgegen. Das Beben aber setzte sich fort, während der Riese nahe an ihnen vorbeistapfte, um schließlich in der Ferne zu verschwinden.
    Threnodia versuchte es aufs neue. Diesmal gab es keine Reaktion, als sie erst den einen, dann den anderen Fuß auf die Brückenplanken stellte. Langsam schritt sie hinüber, immer noch voller Ungewißheit den Blick auf das vor ihr stehende Schloß gerichtet.
    Als sie schließlich das andere Ufer des Grabens erreichte, trat Ida vor, um sie zu umarmen. »Ich wußte doch, daß alles in Ordnung ist«, sagte sie.
    »Noch bin ich nicht im Schloß selbst«, antwortete Threnodia ang e spannt.
    »Dann komm doch einfach rein«, meinte Ida und nahm sie bei der Hand. Die beiden Frauen traten durch das große Tor, beide schwiegen. Jordan folgte, einen etwas beunruhigten Blick um sich werfend. Imme r hin hatte er einmal versucht, Threnodia ins Schloß zu tragen, worauf es fast eingestürzt wäre.
    Als kein Zweifel mehr daran bestand, daß das Schloß tatsächlich nicht einstürzen würde, atmete die ganze Runde auf. Dann scharten sie sich wieder zusammen.
    »Das ist der Thronsaal«, erklärte Ida gerade, »wo…«
    »Wo mein Vater, König Gromden, immer auf dem Thron saß und mich auf seinem Schoß hielt«, erinnerte sich Threnodia. »Damals erzäh l te er mir, daß ich auch einmal darauf Platz nehmen würde.« Ihre Miene umwölkte sich. »Aber da wußte er natürlich noch nicht, was geschehen würde.«
    Sie gingen weiter. »Hier ist der Hof«, fuhr Ida fort, »wo die Rosen von Roogna wachsen.« Sie machte eine Pause, doch Threnodia sagte nichts dazu. Metria wußte, warum: Erst Rose von Roogna hatte die magischen Pflanzen aufs Schloß gebracht, Jahrhunderte nachdem es verlassen wo r den war, lange nach König Gromdens Zeit. Folglich hatte Threnodia sie auch nie zu Gesicht bekommen. »Die Rosen prüfen die wahre Liebe, deshalb muß man

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