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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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schlingt die Arme um den Körper. »Bitte quält mich nicht«, klagt sie. »Ich kann einfach nicht drüber reden.« Und als dauere ihr unser abwartendes Schweigen zu lange, würgt sie noch einen Satz hervor: »Ich hätte jemanden schützen müssen und konnte es nicht.«
    »Den Jungen, von dem du immer träumst!«, rufe ich sofort.
    Ida schluchzt schmerzhaft auf. »Ich kann da nicht drüber reden! Bitte, geht da nicht hin, Leute, bitte! Vielleicht ist er da, vielleicht auch nicht, es ist mir egal, ich will nur meine Ruhe. Ich ertrag’s nicht, wenn ich den jetzt sehen muss, wenn ihr den quasi stellt und der irgendwelchen Scheiß über mich und unsere Beziehung erzählt. Tut mir das nicht an, gebt ihm nicht die Möglichkeit, mich niederzumachen, haltet euch raus, ja?«
    »Wie sollen wir uns denn raushalten, wenn wir mittendrin stecken?«, fahre ich sie an. »Du weißt, dass er mir auch schon was getan hat. Er hat mich absichtlich im Bootskeller eingesperrt, nurweil er eifersüchtig auf mich war. Der ist doch gestört!«
    »Das weiß ich!« Die Tränen laufen ihr nur so über die Backen, die Haare hängen in Strähnen runter und von ihrem sonnigen Strahlen, das sie sonst immer an sich hat, ist nichts mehr zu sehen. Die Texte aus ihrem Notizbuch fallen mir wieder ein. Jetzt passt ihre äußere Erscheinung auch zu ihren wirren Gedanken.
    Als wisse sie selbst, wie fertig sie aussieht, versteckt sie den Kopf hinter den Armen und verkriecht sich ins ebenso gebeutelt und zerrüttet aussehende Zelt.
    »O Mann«, sagt Hannes, der wohl einen ähnlichen Eindruck von ihr hat wie ich, »die ist kurz vorm Durchdrehen.«
    »Was war denn mit diesem Jungen, den sie nicht beschützt hat?«, fragt Fabi forsch. »Verstehst du das, Nele?«
    Ich seufze. »Ich weiß auch nicht mehr, als dass es da eine Geschichte gibt, die sie belastet.«
    »Ich mag’s eigentlich überhaupt nicht, wenn jemand mich neugierig macht und dann nicht weitererzählt.«
    »Fabi!«, knurrt Hannes. »Lass lieber!«
    »Ja, schon gut, hast ja recht. Wir sollten akzeptieren, dass sie nicht mehr rauslassen will. Gerade hab ich noch überlegt, ob du und Nele mal die Blockhütten auskundschaften könntet, ohne ihr etwas davon zu sagen, aber hinterher kriegt sie noch ’nen Nervenzusammenbruch. Wir wissen ja nicht, wasder Irre ihr angetan hat … vielleicht was Sexuelles.« Fabi sieht mich auffordernd an, als wolle er sagen: Du weißt doch bestimmt mehr darüber!
    Aber so viel weiß ich gar nicht.
    »Was immer da war – es geht uns nichts an.« Hannes scheint etwas verärgert. »Ida macht ’ne Menge durch, aber dafür, finde ich, hält sie sich tapfer. Sie ist echt klasse, deine Freundin.«
    »Danke«, sage ich ganz überrascht. Bisher hat Hannes auf mich den Eindruck gemacht, wir nervten ihn, aber da habe ich mich wohl getäuscht.
    »Wofür?« Er steht ebenfalls auf. »Ich geh ins Bett. Was ist mit dir, Fabi?«
    »Es ist gerade mal elf Uhr!«
    »Und? Wer weiß, wie die Nacht wird.«
    »Wir könnten abwechselnd Wache halten«, schlage ich vor.
    »Meinst du echt, das ist nötig?« Fabi fährt sich unruhig durch die rausgewachsene Frisur.
    »Du hast das Blut auf den Klamotten der Mädels nicht gesehen«, sagt Hannes. »Der Kerl, der das gemacht hat, ist wirklich bekloppt.«
    »Sie nennt ihn Teufel«, sage ich.
    »Okay, dann teilen wir Wachteams ein. Wer, wann, mit wem?«
    Die erste Runde übernehmen Fabi und ich. Hannes legt sich gleich schlafen, Ida kommt noch einmal aus dem Zelt und verschwindet mit mir als Begleitung zum Pieseln hinter den nächsten Busch. »Mach mal so lange die Musik wieder an!«, rufe ich Fabi zu, bevor wir uns etwas verschämt und vomüberraschten Rocky neugierig bestaunt wenige Meter vom Zelt entfernt hinhocken.
    »Wenn das die Mutter aus dem Wohnmobil wüsste«, sage ich und die ulkige Situation lässt mich unsere üble Lage vergessen.
    Ida lacht kläglich auf. »Hast du dir den Urlaub mit mir so vorgestellt?«
    »Schlimmer!«, rufe ich.
    »Schlimmer? Wieso das denn?«
    »Na, ich hab mir gedacht, dass du schon sehr crazy oder wagemutig sein musst, wenn du mir, kurz nachdem bekannt geworden ist, was ich für eine bin, anbietest, gemeinsam Urlaub zu machen.«
    »Ich wusste aber hier drinnen«, sie klopft sich mit der Hand auf die Brust, »dass du nicht wirklich Schuld hast. Du bist da nur so reingerutscht wie ich …« Sie steht wieder auf, blickt sich um. »Soll ich ehrlich sein, Nele? Ich habe dich gefragt, ob du mit mir fahren willst, weil du eben

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