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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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tue ich. Ich muss einfach.

Letzter Tag
    29
    Das Tageslicht ist trübe und der Himmel von dicken grauen Wolken bedeckt, durch die nur selten ein Sonnenstrahl dringt. Ich habe einen verspannten Nacken, weil ich von meiner Luftmatratze gerutscht bin, und immer noch bös juckende Wespenstiche. Müde trete ich ins Freie, murmele ein »Morgen!«, und betrachte das Durcheinander zwischen den Zelten.
    Ida hebt den Kopf, den sie die ganze Zeit halb schlafend in die Hand gestützt hatte. Sie sitzt am Campingtisch der Jungs, auf dem Kaffeebecher, leere Zigarettenschachteln, angebrochenes Toastbrot, Wäscheklammern, Hundekuchen und die Reste des Grillfleisches von gestern in malerischer Unordnung verstreut sind, und wirkt selbst genauso malerisch übermüdet: Die Haare sind zottelig, die Augen von dunklen Ringen umschattet.
    Zu mir aber sagt sie: »Du siehst aus, Nele!«
    »Du erst mal«, entgegne ich, »guck du mal in ’nen Spiegel.«
    Sie gähnt. »Meinst du, ich hab heute keine Chancen, die Miss Campingplatz zu werden?«
    »Doch, das schon. Mangels Konkurrenz.«
    Wir lachen uns kläglich an. Dann nehme ich mireine der Tassen, schütte den Inhalt weg und frage mit dem Griff nach der Kaffeekanne: »Schmeckt der noch? Und wo sind Rocky und die Jungs?«
    »Fabi schläft. Hannes hat Rocky mitgenommen. Er wollte duschen und nachher Rocky ausführen.«
    Das gefällt mir nicht. Rocky ist mein Hund und ich finde, man hat mich zu fragen, ob man mit ihm Gassi gehen darf. Missmutig verziehe ich das Gesicht. »Muss das sein? Wir haben Rocky die ganze Zeit nicht ausgeführt. Er hat das immer schön selbst geregelt.«
    Sie zuckt die Achseln. »Aber wenn wir mit ihm in den Wald gegangen wären, hätten wir nicht die Familie vergrault.«
    »Ist jetzt auch egal.« Ich nippe am Kaffee, der mir schon mal besser geschmeckt hat. »Ich gehe davon aus, dass wir eh gleich abreisen.«
    »Hmm«, macht Ida und zeigt auf ihr Handy, das auf dem Tisch liegt. »Ich habe Papa gerade aus dem Bett geklingelt. Er macht sich fertig und setzt sich danach sofort ins Auto.«
    »Gut.« Ich nicke, obwohl mich beim Blick über die taunasse, duftende Wiese zum Ufer hinunter Wehmut überfällt. Dieser Platz ist immer noch schön. Die Sonne kann sich zwar nicht ganz entscheiden, zwischen den Wolkenbergen hervorzubrechen, und taucht die Szenerie daher in ein mal graues, mal milchiges Licht. Der Fluss zieht als einladende blaugrüne Woge mit silbernen Strömungssprenkeln vorbei, die Kiesel am Strand glänzen dunkel, die beiden Wildgänse sind wieder da, außerdemein paar Enten, die sich mit großem Geschnatter gegenseitig übers Wasser jagen. Ich stelle die Tasse ab, schiebe die Hände in die engen Taschen der abgeschnittenen Jeans und schlendere ein paar Schritte in Richtung unseres verlassenen ersten Lagerplatzes.
    So ein Mist, dass Ida nicht in der Lage ist, mit mir und den Jungs den Störenfried einfach zu vertreiben! Ihretwegen hocken wir hier wie verschreckte Häschen.
    »Nele, wo willst du hin? Wir haben abgesprochen, dass keiner allein geht.«
    »Ich bin doch nur hier vorne«, antworte ich mürrisch, bleibe aber stehen und drehe mich wieder zu Ida um. Was war das für eine verrückte Nacht? War dieses Theater mit dem Umzug und dem Wacheschieben wirklich nötig? Jetzt, bei Tageslicht, erscheint es mir extrem überzogen. Mein Blick wandert an meiner Freundin und unseren Zelten vorbei zu den Blockhütten. Aus der einen kommen gerade die zwei Frauen mit ihren Walkingstöcken. Die dürfen hierbleiben und Urlaub machen, während wir abreisen müssen, denke ich neidisch. Bessere Laune scheinen die Damen deswegen aber nicht zu haben. Sie steuern mit grimmigen Gesichtern direkt auf mich zu, und als sie auf meiner Höhe sind, ranzt mich die eine schnaufend an: »Ihr mit eurem Hund! Es ist eine Unverschämtheit, den Köter die ganze Zeit frei laufen zu lassen! Auf einem anderen Platz könntet ihr euch das nicht erlauben. Selbst am Strand liegen Hundehaufen. Man weiß gar nicht mehr, wo man sein Handtuch ausbreiten soll.«
    »Entschuldigung, aber …«
    »Erzählt mir nicht, die stammten nicht von eurem Hund! Direkt vor dem Waschhaus hat der Köter sein Geschäft erledigt: Ekelhaft! Der neue junge Mann, den Herr Rotter geschickt hat, um hier nach dem Rechten zu sehen, hat ihn gerade eben dabei erwischt. Er wird Herrn Rotter die Sauerei melden, das hat er uns versprochen. Er ist schon unterwegs.«
    »Wie meinen Sie das, er hat ihn
erwischt
?«, fragt Ida, die aufgestanden und

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