Vogelfaenger
ja Angst!«
»Was meinst du, was wir haben«, entgegnet Ida und stellt den unberührten Teller auf der Erde ab, worauf Rocky natürlich nur gewartet hat.
»Pass auf, dass er nicht so schlingt«, sage ich.
Einen Moment sehen wir vier meinem genüsslich fressenden Hund zu. Rocky ist definitiv der Einzige, der unseren Aufenthalt noch genießt. Zwar hat Fabi recht: Die Art, wie sich unsere Zelte jetzt mit den Eingängen gegenüberstehen, hat durchaus etwas Gemütliches. Wenn man aber näher hinschaut, wird man sehen, dass unser Lagerplatz jetzt ein einziges Durcheinander ist. Morgen werden wir nichts mehr wiederfinden. Auch wäre es klüger gewesen, das Zelt der Jungs zu unserem Platz inmitten der Wiese herüberzutragen statt umgekehrt. Hier, nah am Waldrand, stehen mehr Büsche, hinter denen er sich verstecken könnte.
»Was ist jetzt mit den Zigaretten?«, fragt Fabi.
»Ich hab noch welche«, sagt Ida, »nimm hiervon.«
Sie rauchen, Hannes und ich schweigen. Die Musik spielt weiter, bis die CD zu Ende ist. Dann, in der plötzlichen Stille, hören wir die Geräusche der Natur: das leise Rauschen des Flusses, das Quaken eines Frosches, das Zirpen einer Grille.
»Dieser Abend könnte wunderschön sein«, flüstert Fabi.
»Ja«, antworte ich und fühle eine große Zuneigungzu diesem Fabi, den ich gestern noch gar nicht kannte und der heute so viel für uns getan hat. »Ich sehe sogar ein Glühwürmchen.«
»Die sind bei Licht besehen ganz hässlich.« Das kommt von Ida.
Ich muss kichern und Fabi fällt ein.
»Genauso verhält es sich mit deinem Ex. Der Kerl macht den großen Wirbel, aber wehe, wir haben ihn erst mal in den Fingern, dann entpuppt er sich als feiger kleiner Wicht.«
»Was meinst du, wo er sich versteckt?«, fragt Hannes.
Fabi dreht den Kopf nach hinten. »Der kann einfach sein Auto irgendwo an der Landstraße geparkt haben. Durch das Waldstück gibt’s ’ne Menge Trampelpfade. Bei richtig gutem Wetter parken die Leute da oben und laufen dann zum Baden hier runter. Die kommen dann etwa bei Jans Wohnwagen raus.«
»Dort habe ich das Handyklingeln gehört.«
»Ruf ihn doch an, Ida«, schlägt Fabi vor, »dann hören wir ihn.«
»Ich hab seine neue Nummer nicht. Außerdem stellt er sein Handy meist auf Vibration. Das nutzt gar nichts«, sagt sie schnell. »Der ist im Wald unter Garantie nicht angerufen worden, der hat es selbst klingeln lassen, um Nele zu erschrecken.«
Fabi wirkt nicht überzeugt und ich bin es auch nicht, aber Ida, deren Gesicht durch die Glut der Zigarette teilweise angeleuchtet wird, schüttelt energisch den Kopf und redet sofort weiter: »Undwas den Schlafplatz angeht: Lars pennt nicht im Auto. Das ist nicht sein Stil. Ich überlege die ganze Zeit, ob er nicht eine der Blockhütten angemietet hat.«
»Laut Jan sind außer uns, dem Angler und den zwei Freundinnen keine Leute auf dem Platz«, wirft Hannes ein.
»Die Hütten sehen alle dunkel aus. Vielleicht sind die Leute auch schon nicht mehr da.« Ich stehe auf, versuche mit den Augen die Dunkelheit zu durchdringen. »Falls er dort ist, ist er klug genug, kein Licht zu machen.«
»Trotzdem müssten wir ihn bemerkt haben.«
»Nicht unbedingt, Fabi. Die haben die Eingangstüren auf der Rückseite und sind innen komplett ausgestattet. Der muss nicht das Waschhaus benutzen oder so.«
Schweigen legt sich über unsere kleine Runde. Nur Rocky knüttert im Verdauungsschlaf.
»Was sagst du dazu, Rocky, sollen wir mal nachschauen, ob der Typ da ist?«, frage ich meinen Hund.
»Bloß nicht«, flüstert Ida wieder sehr hastig und aufgeregt. »Der … der schreckt vor nichts zurück. Ich weiß gar nicht, warum ich mal mit dem zusammen war. Es hat sich so ergeben, weil er bei uns gearbeitet hat. Aber von Anfang an war es keine wirklich gute Beziehung. Er wollte mich immer für sich allein, war damals schon eifersüchtig hoch zehn. Zuerst fand ich’s nicht schlimm, sogar schmeichelhaft. Erst als ich mich trennen wollte, fing derTerror an. Für meinen Vater war er auch eine Zeit lang der perfekte Nachfolger und Schwiegersohn. Doch dann ist eines Tages etwas passiert, das mir gezeigt hat, wie gefährlich dieser Mensch ist.«
»Was ist denn passiert?«, fragen Fabi, Hannes und ich gemeinsam.
»Das kann ich nicht sagen!« Ida steht auf. »Es tut mir leid, aber das kann ich nicht. Jedenfalls nicht einfach so. Ich … ich bin nicht ganz unschuldig an der Sache, ich häng da mit drin und …« Sie legt den Kopf in den Nacken,
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