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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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verschwommen erkennen. »Wenn ich die falsche Antwort gebe, lasst ihr mich dann laufen oder macht ihr mich fertig?«
    »Hängt davon ab, wie falsch die Antwort ausfällt, schätze ich.« Beide Männer hatten rotes Haar. Der jüngere von beiden war derjenige, der die Fragen stellte; in seinem Gürtel steckten zwei Pistolen. Der ältere war etwas kleiner als sein Begleiter, kräftig gebaut und strahlte die Selbstsicherheit eines Mannes aus, der gewohnt ist, dass seinen Befehlen Folge geleistet wird.
    Dylan holte tief Atem, ehe er erklärte: »Mein Name ist Dylan Robert Matheson. Ich bin ein Vetter von Iain Mór nan Tigh a'Mhadaidh Bhàn.«
    »Dann verrate mir, Dylan Robert Matheson, warum du mit einem so seltsamen nördlichen Akzent sprichst. Oder ist es vielleicht eher ein südlicher Tonfall?« Die Frage wurde mit scharfer Stimme gestellt, der Mann nahm offenbar an, Dylan könne ein Engländer sein, der sich als Schotte ausgab.
    »Ich bin in Amerika geboren.« Dabei beließ er es. Sollten sie doch mit ihm machen, was sie wollten, es kümmerte ihn nicht; erschöpft ließ er den Kopf wieder sinken.
    Doch die Männer hatten anscheinend nicht vor, ihm etwas anzutun, stattdessen beugten sie sich zum ihm hinunter und halfen ihm auf die Beine. Dylan hielt noch immer sein Bündel an sich gedrückt. Einer der beiden nahm es ihm ab, dann legten sie sich seine Arme um den Nacken und trugen ihn durch den Wald zu einer nahe gelegenen Lichtung.
    Dort flackerte ein kleines, von trockenen Ästen genährtes Feuer, von dem dünne Rauchschwaden aufstiegen. Ein Vogel röstete an einem Spieß über den Flammen. Der köstliche Duft ließ Dylan seine Schmerzen vorübergehend vergessen, und ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Die Männer ließen ihn neben dem Feuer zu Boden sinken und blieben neben ihm stehen. Dylan betastete mit einer Hand vorsichtig seine trockene, rissige Unterlippe, dann vergrub er das Gesicht in dem weichen Gras, während die beiden Männer sich mit dem Bratspieß beschäftigten. Schließlich richtete der Ältere erneut das Wort an ihn. »Dylan Robert Matheson, Vetter des Iain Mór aus Ciorram, ich wüsste doch zu gerne, wie es einem Mann in deiner körperlichen Verfassung gelungen ist, aus der Garnison zu entkommen und bis hierher zu gelangen.«
    Dylan seufzte. »Ich bin geflogen.« Er sah sich verstohlen nach Sinann um, konnte sie jedoch nirgendwo entdecken. »Die kleinen Leute haben mich gerettet, sie mögen die Engländer ebenso wenig wie ich.«
    Die beiden Männer lachten, und der Ältere schickte den Jüngeren los, um Wasser zu holen. Dann kniete er sich hinter Dylan und versuchte, das blutverklebte Hemd von dessen Rücken zu lösen. Es fühlte sich an, als würde ihm die Haut in Fetzen vom Leib gerissen, und Dylan musste sich auf die Lippe beißen, um nicht laut aufzuschreien. »Och«, bemerkte der ältere Schotte, »da hat jemand ja ganze Arbeit geleistet.« Er zupfte vorsichtig an dem Stoff, doch der klebte fest.
    Dylan murmelte in das Gras hinein: »Leider weiß ich Euren Namen nicht.«
    »Verzeihung«, entgegnete der ältere Mann. »Mein Freund hier heißt Alasdair Roy, und mein Name ist Rob Roy.«

18.
    Dylan hob den Kopf, stützte sich auf die Ellbogen und drehte sich um, um den Mann eingehender zu betrachten. Seine Arme begannen unter seinem Gewicht zu zittern. Wie zu sich selbst flüsterte er: »MacGregor ...«
    Der Mann verzog keine Miene. »Demnach hast du schon von mir gehört?«
    »Wer hätte das nicht?« Dylan sah ihn immer noch voller Staunen an. Jeder, der sich auch nur ansatzweise in der schottischen Geschichte auskannte, wusste, wer Rob Roy MacGregor war. »Was tut Ihr in der Nähe von Fort William?«
    MacGregor grunzte. »Das ist wohl meine Angelegenheit.«
    »Selbstverständlich. Ich bitte um Entschuldigung.« Dylan senkte den Kopf, warf aber MacGregor noch einen verstohlenen Blick zu. Der Mann sah dem Typen, der ihn im Film gespielt hatte, überhaupt nicht ähnlich. Doch sofort verwarf er diesen Gedanken als idiotisch. Er befand sich in der Gegenwart eines der größten Helden von Schottland - vielleicht des größten seit Cuchulain persönlich -, eines Jakobitenführers, dessen Einsatz in der Widerstandsbewegung ihm den Ruf eines schottischen Robin Hood eingetragen hatte.
    Doch Dylans ehrfürchtige Bewunderung erlosch schlagartig, als MacGregor Kragen und Schoß seines Hemdes packte und ihm den Stoff mit einem Ruck wegriss. Es gelang ihm, den Schmerzensschrei, der sich ihm unwillkürlich

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