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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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zugestimmt oder widersprochen hatte und die so charakteristisch für sie gewesen war, schien ihr völlig abhanden gekommen zu sein. »Ach nein?«
    »Nein. Frag einen Amerikaner schottisch-englischer Abstammung, als was er sich betrachtet, und er wird sagen, er sei Schotte oder Engländer. Die wenigsten behaupten, sie seien Briten. Frag, warum das Land Schottland heißt und nicht Nordbritannien wie zu Zeiten der Highland Clearances, als den Engländern die Schafe wichtiger waren als die Menschen. Frag, warum die alte Sprache nicht in Vergessenheit geraten ist, obwohl die Sassunaich ihr Bestes getan haben, um das zu erreichen, und warum sie jetzt zum ersten Mal seit Jahrhunderten wieder an den Schulen gelehrt wird. Moderne Literatur wird in gälischer Sprache veröffentlicht; Kinderbücher und Gedichtbände, nicht nur die Bibel. Frag dich einmal, Sinann, warum Schottland nach fast drei Jahrhunderten wieder ein eigenes Parlament hat. Ich will es dir sagen: Weil wir, die wir nie Teil dieses Systems waren, es so lange bekämpft haben, wie es eben ging, und weil unsere Nachfahren noch immer auf ihrem Recht auf eine eigene Identität beharren. Die Widerstandsbewegung hat schon deshalb Erfolg gehabt, weil durch sie die Schotten davor bewahrt wurden, vollständig unterdrückt, wenn nicht gar ausgerottet zu werden. Insofern ist es uns in gewisser Hinsicht doch gelungen, unser Volk zu retten.«
    »Warum willst du dann zurückgehen?«
    Dumme Frage. »Wegen Cait.«
    »Du willst sie ihrem rechtmäßigen Ehemann wegnehmen?«
    »Ich will sie aus den Klauen eines Mannes befreien, der sie hasst. Und meinen Sohn ebenfalls. Ich will meinem Sohn ein guter Vater sein. Ist das denn so schwer zu begreifen?«
    Sinann hob den Kopf und beugte sich vor. »Möchtest du gerne wissen, was mit Ramsay passiert ist?«
    »Nein. Ich möchte es selbst miterleben.« Sein Magen verkrampfte sich, und er presste eine Hand auf die schmerzende Wunde an seiner Seite. Das Atmen fiel ihm plötzlich schwer. »Ich möchte sein Ende höchstpersönlich herbeiführen. Und ich möchte meinen Sohn selber großziehen, ihn beschützen ...« Seine Kehle wurde trocken, als er daran dachte, welchen Schikanen und welcher Willkür Ciaran in seinem Leben noch ausgesetzt sein würde. »Ich muss dafür sorgen, dass er überhaupt am Leben bleibt. Jeder Schotte, der gegen die Engländer und ihre Schreckensherrschaft kämpft, sorgt dafür, dass seinen Kindern Unterdrückung und ... Ausrottung erspart bleibt.«
    Was Sinann anfangs gesagt hatte, fiel ihm wieder ein. Sie hatte endlich doch zugegeben, dass man den Lauf der Geschichte nicht ändern konnte. Wenn dem aber so war, dann musste sie bereits wissen, ob er in die Vergangenheit zurückgekehrt war oder nicht, denn dann hatte sie ihn dort gesehen. Er blickte zu den Steinbrocken hinüber, die noch genauso dalagen wie damals. Der große, unter dem er seine Guineen versteckt hatte, schien seit Hunderten von Jahren nicht mehr von der Stelle bewegt worden zu sein. Er trat hinter den Stein und grub die Finger unter seinen Rand.
    »Was tust du da?«
    »Ich muss etwas wieder finden.« Er zerrte an dem Stein, um ihn aus dem lehmigen Boden zu lösen, holte dann tief Atem und hob ihn an. Ein scharfer Schmerz schoss durch seine Seite, doch es gelang ihm, den Stein ein Stück weit wegzurollen.
    »Was liegt denn so Wichtiges darunter?«
    »Etwas, wovon du nichts wissen kannst.« Er grub mit den Fingern im Matsch herum, konnte die Münzen aber nicht finden. Doch was er stattdessen entdeckte, verschlug ihm den Atem. Ein Stück Zellophan klebte an seinen Fingern. Er zupfte es ab und säuberte es mit etwas Gras, bis der Aufdruck sichtbar wurde. Es handelte sich um das Bonbonpapier eines Zimttoffees. Dylan erhob sich und wandte sich an Sinann. »Du wirst mich zurückschicken.«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    Um den Eindruck eines Gewaltverbrechens noch zu verstärken, warf er seine modernen Banknoten und die Kreditkarten in den Schlamm unter dem Stein, dann schob er diesen an seinen alten Platz zurück. Hier würde die Sachen niemand finden.
    Danach setzte er sich auf den Brocken und wischte seine schmutzigen Finger an seinen Jeans ab, ehe er antwortete: »Du hast gesagt, du könntest die Geschichte nicht verändern. Aber du hast hier auf mich gewartet, also hast du genau gewusst, dass ich heute komme. Nur hättest du das gar nicht wissen können, hättest du mich nicht zurückgeschickt. Du hattest keine Ahnung, dass ich am Tag meiner Verhaftung

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