Vogelfrei
Macht heraufzubeschwören. »Lass dich von der Reinheit des Feuers durchdringen und nutze seine Kraft, um mich zu Caitrionagh zurückzubringen. Führe zusammen, was das Schicksal getrennt hat. Lass meine Seele mit der ihren verschmelzen. Möge die Kraft der Sonne und des Mondes dich durchströmen, auf dass du meine Bitte erfüllen kannst.«
Einige Minuten saß er ganz still da, wagte nicht, sich zu rühren. Er war so erschöpft, dass er beinahe im Sitzen eingeschlafen wäre. Allmählich glitt er in eine Art Trance hinüber. Brigid fühlte sich wärmer und wärmer in seinen Händen an, und dann begann die Klinge ein silbriges Licht zu verströmen. Die Strahlen hüllten ihn ein, und er spürte, wie die magische Kraft des alten Turmes von ihm Besitz ergriff.
Als das seltsame Licht wieder erloschen und alles still um ihn war, schloss er die Augen und dachte an Cait, die andere Hälfte seiner Seele. So weit weg, so lange her. Und dann trat er die Reise an, die ihn über Jahrhunderte hinweg in die Vergangenheit führte, über den Ozean hinweg; endlose Entfernungen, die er zurücklegen musste, bis er überzeugt war, seine Kraft überschätzt zu haben und sein Ziel nie erreichen zu können. Oder nicht mehr in seinen Körper zurückzufinden.
Dann schwebte er durch die Luft, die mächtigen Schwingen mit den langen glänzend schwarzen Federn weit ausgebreitet, direkt auf Edinburgh zu. Die Sonne ging auf. Es war der Tag der Schlacht, der Moment, in dem er ... starb.
Er landete auf dem Fensterbrett eines großen Hauses, und dort sah er sie. Sie war wie eine Engländerin gekleidet, hatte ihr Haar in ein Tuch gebunden und kniete auf dem Boden. Ihre Augen waren vom Weinen geschwollen und gerötet, schillernde Blutergüsse bedeckten ihr Gesicht. In Gedanken rief er nach ihr. »Cait...«
»A Dhilein.« Suchend blickte sie sich um.
Er begann zu zittern. Tränen brannten in seinen Augen. »A Chait.« Der Wind fuhr raschelnd durch sein Gefieder. Ihre Stimme hallte in seinem Körper wider; seine Brust hob und senkte sich rasch, während er sich mit den Klauen am Fensterbrett festkrallte.
»Dylan, wo bist du?« Auch Cait rannen jetzt Tränen über das Gesicht.
»Ich bin hier, ganz in deiner Nähe, Liebes.« Seine Kehle war wie zugeschnürt, er konnte kaum einen Ton herausbringen.
Doch sie war vollkommen durcheinander; wusste nicht, wie ihr geschah. Er konnte es fühlen. »Wo? Wo bist du? Ich kann dich nicht sehen. Dylan, wir brauchen dich. Es ist furchtbar hier. Ich habe solche Angst. Aber ich kann dich nicht sehen.« Sie begann zu schluchzen. »Dylan, ich vermisse dich so. Mein Leben ist die Hölle, seit sie dich mitgenommen haben. Du fehlst mir so ... ach, Dylan ...«
»Ich bin nicht tot, Cait. Sie haben mich nicht umgebracht. Und ich vermisse dich auch. Aber wie kann ich zu dir zurückkommen? Sag mir, wie ich zurückkommen kann.«
»Zurückkommen?« Eine Pause entstand, dann wurde das Schluchzen lauter. Er spürte, wie verwirrt sie war. Sie konnte nicht verstehen, was hier vor sich ging, und sie hatte auch keine Ahnung, wo er war. »Komm doch zu uns, Dylan.«
»Ich kann nicht. Nur durch Magie ist es mir überhaupt möglich, mit dir zu sprechen. Aber ich weiß nicht, wie ich zu dir zurückkommen kann.«
»Du musst die kleinen Leute fragen. Sie werden einen Weg wissen. Geh zu den Sidhe, die Feen werden dir helfen. Bitte beeil dich. Irgendwann wird er uns umbringen. Wir sind in großer Gefahr.«
Dann war sie plötzlich verschwunden. Eine große Leere breitete sich in ihm aus. In einem wilden Flug stürmte er zurück, ließ Jahrhunderte in Sekundenschnelle hinter sich. Er bekam kaum Luft, ein sengender Schmerz marterte seinen Körper, und er meinte, das Herz werde ihm aus dem Leib gerissen. Ein gellender Schrei durchschnitt die nächtliche Stille Tennessees, er kippte nach vorne, und Brigid fiel in den Staub. Tränen rannen ihm über die Wangen, während er immer wieder Caits Namen rief.
Auf allen vieren kniete er auf dem Boden, die Stirn gegen das Erdreich gepresst, und schluchzte, bis er dachte, er würde in tausend Stücke zerspringen.
Er gehörte nicht hierher, nicht in diese Zeit, nicht in dieses Land. Er hatte noch nie hierher gehört. Sein Platz war bei Cait, und er musste einen Weg finden, zu ihr zu gelangen. Dies war seine Bestimmung. Er musste Sinann finden, um jeden Preis, und er musste sie bitten, ihn ... nach Hause zu schicken.
25.
Am nächsten Tag setzte Dylan sein Testament auf. Er hatte keine Kinder -
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