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Vogelweide: Roman (German Edition)

Vogelweide: Roman (German Edition)

Titel: Vogelweide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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Butter und ihre lederne Reisetasche vom Wagen und trug die Sachen an den Strand. Jessen wollte keinen Kaffee, grüßte kurz, indem er die Peitsche hob, wendete das Fuhrwerk und fuhr zurück.
    Die Umarmung war ein fruchtig süßer Duft, der an seinem Hemd haften blieb, an seinen Händen. Ein Duft, der hier, im Geruch von Salzwasser und Tang, etwas von einem tropischen Gestade mit sich brachte.
    Sie sah sich um, die kleinen Dünen, von denen keine höher als vier, fünf Meter war, der Bewuchs spärlich, ein paar Büsche, Strandhafer, Strandroggen, Sand, und weiter draußen das Wasser im Priel, weit hinaus in der Ferne die weißen Streifen der Brandung. Möwen und Watvögel, die in Schwärmen über das Watt zogen. Das schrille, kampflustige Schreien.
    Was treibt dich hierher?
    Die Arbeit, sagte er. Und in ihr fragendes Gesicht, ich bin Vogelwart.
    Da lachte sie und sagte, hört sich an wie Vogelhändler, und sie umarmte ihn nochmals, hakte sich bei ihm ein, so gingen sie den Pfad zur Hütte hinauf.
    Sie habe, es ging alles einfach und schnell, sich einen Mietwagen in Hamburg genommen, erzählte sie, sei nach Cuxhaven gefahren, habe den Bauern auch gleich angetroffen, der sie aber, obwohl sie ihn angerufen und bestellt hatte, nicht zur Insel fahren wollte, weil sie etwas zu spät gekommen war. Ich habe ihm gesagt, es ist wichtig. Er aber habe sie angesehen, an der Pfeife kauend, und nur den Kopf geschüttelt, auch dann, als sie ihm mehr Geld anbot. Zugestimmt hat er erst, als ich ihm sagte, wir hätten uns seit sechs Jahren nicht mehr gesehen und ich müsse in einer Woche nach Amerika zurückfliegen. Da kam ein brummiges Gut aus seinem Pfeifenmund.
    Der Westwind drückt das Wasser in die Elbmündung, sagte Eschenbach, und es sei möglich, dass Jessen heute nicht mehr nach Hause komme und auf Neuwerk übernachten müsse. Vielleicht musst du eine Woche hierbleiben.
    Nein, ganz unmöglich, obwohl es mir gut gefällt, hier.

    Sie waren zur Hütte hinaufgegangen, und er hatte die Tüten mit dem Proviant und ihre Reisetasche an der Holztreppe zum Podest abgestellt.
    Sie zeigte auf das etwas abseits stehende kleine Holzhäuschen.
    Toilette?
    Toilette. Na, ja. Ein Plumpsklo.
    Ich musste schon auf der Herfahrt. Konnte mich doch nicht ins Watt setzen.

    Als sie zurückkam, sagte sie, wie nett, das kleine Herz in der Tür und dann noch rot umrandet. Sie bewunderte die beiden von ihm aufgestellten Schwemmholz-Skulpturen. Ihre Begeisterung äußerte sich in einem wiederholten Toll. Land Art . Sie holte aus ihrer Tasche eine Kamera und fotografierte die beiden Totems, wie er sie nannte.
    Das Toll rollte ihr regelrecht aus dem Mund.
    Ja, sagte er, Fundstücke.
    Du bist wirklich ein Beachcomber, sagte sie.
    Wahrscheinlich. Ihm fiel auf, wie selbstverständlich ihr die amerikanische Aussprache aus dem Mund kam.
    Wunderbar die große Glaskugel.
    Das dunkle Blau der Glaskugel war zur Hälfte von einem Grauweiß überzogen, auf der blauen Hälfte waren filigrane grünbraune Algenstreifen festgetrocknet.
    Eine alte Kugel, an der die Fischer früher ihre Netze befestigt haben, sie muss lange im Meer herumgetrieben sein. Heute benutzt man meist orangefarbene Plastikkugeln.

    Er wollte ihr erst seine Insel zeigen, er sagte bewusst meine Insel , denn er war hier der Herr. Die Dünen, die Sandflächen, dort, wo im Frühjahr die Vögel brüteten, deren Zahl er schätzen musste, über die er Listen führte, Einträge machte. Sie gingen über die Insel, was sonst für Besucher streng verboten war, gingen am Ufer entlang, durch das Kreischen der Möwen, ihr wildes, flatterndes Auffliegen, sie strichen nahe über das Paar hinweg. Sie hatte kurz seine Hand gesucht und gefasst, in einer plötzlichen, die alte Vertrautheit aufleben lassenden Geste, und gesagt, die Möwen erfüllen mich mit Schrecken.
    Sie stapften weiter durch den Sand, noch schien die Sonne, aber von Westen kamen draußen über dem Meer die tief ziehenden Wolken näher. Umso heller schien das Gleißen auf dem Watt und dem vom Wind aufgerauten Wasser in den Prielen.
    Es wird regnen. Wenn die Flut kommt, kannst du schwimmen, wenn du magst.
    Das Wasser ist mir, glaube ich, zu kalt.
    Nicht kälter als in Kalifornien.

    Sie saßen auf einer kleinen Düne am Strand und beobachteten die Möwen, wie sie über das Watt und den Priel glitten, um plötzlich niederzustoßen und mit der Beute hochzufliegen.
    Gute Augen müssen sie haben.
    Ja. Und sie riechen den Fisch. Es sind die eleganten Räuber

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