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Volk der Verbannten

Titel: Volk der Verbannten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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müsst sie aufhalten. Sie …«
    Die Krieger umzingelten ihn sofort und verstellten ihm den Weg. Day-Yan legte ihm die Hand auf die Schulter. Dann nickte er. »Waffenstillstand«, verkündete er.
    Auf ein weiteres Zeichen hin blies ein Mann neben ihm in ein Horn. Drei lange, durchdringende Töne, während Arekh vorwärtsstürzte und sich einen Weg zwischen den Kämpfern hindurchbahnte, die, einer nach dem anderen, die Waffen senkten. Er kletterte auf die Barrikade, machte einen Bogen um die Flammen, die sie mittlerweile erfasst hatten, und eilte an Amîn vorbei, dem er zurief: »Waffenstillstand! Waffenstillstand! Befehlt den Waffenstillstand!« Dann rannte er außer Atem auf die Flüchtlinge zu. Die Raubkatzen fluteten mit blutigen Schwertern zur Barrikade zurück. Ein Dutzend Leichen - Männer, Frauen und Kinder - lag am Boden. Verwundete schrien; die Familien hatten sich tränenüberströmt auf dem ganzen Platz verteilt.
    Lionor war nirgends zu sehen.
    Arekh rief nach ihr, drehte die Leichen um und spürte, wie sein Herzschlag kurz aussetzte, als er den reglosen Körper einer jungen Frau mit langen schwarzen Haaren sah, die mit dem Gesicht nach unten blutend auf dem Pflaster lag.
    Er drehte sie um. Sie war es nicht.
    »Lionor! Lionor! «
    Hände packten Arekh und drehten ihn gewaltsam um, entrissen ihm sein Schwert. Day-Yan und seine Männer. Auf dem Platz hatten sich die beiden Streitmächte langsam zurückgezogen: Die Nâlas waren zornig, bewahrten aber auf Amîns Befehl hin Ruhe, sammelten die überlebenden
Flüchtlinge, versorgten die Verwundeten und schlugen im Westen des Platzes ein Lager auf. Ayeshas Männer hatten sich hinter die Brunnenbarrikade zurückgezogen.
    »Wir haben das Mädchen«, sagte Day-Yan und bedeutete seinen Männern, Arekh abzuführen. »Ihr kommt mit.«
    »Wohin?«, fragte Arekh, während man ihn vorwärtsstieß, auf die dunklen Straßen des Dorfes zu.
    »Zu Ayesha.«
    »Lionor«, wiederholte Arekh, während er ihnen folgte. »Sie muss mitkommen …«
    »Oh, das tut sie«, flüsterte Day-Yan in eisigem Tonfall. »Ich würde es mir sehr übel nehmen, Ayesha ihrer ›besten Freundin‹ zu berauben. Bis dahin werden wir sie schon am Leben halten. Mit ein paar Verbänden …«
    » Was ?«, schrie Arekh, und die Soldaten schoben ihn weiter, über die Barrikade und dann die Straße hinunter - und plötzlich stand Lionor vor ihm, umgeben von Soldaten: mit aufgelöstem Haar, das Gesicht von Fackeln beleuchtet. Blut floss ihr über Schulter und Arm. Etwa zwanzig Männer mit blauen Gesichtern waren hier versammelt, sattelten die Pferde und machten sich zum Aufbruch bereit.
    »Arekh!«, rief Lionor, als sie ihn sah, und er verspürte starke Erleichterung, als er ihre verängstigte, aber lebendige Stimme hörte. »Mein Sohn … Sie haben … Er ist verletzt …«
    Arekh machte sich mit einer zornigen Bewegung los und brachte einen der Soldaten ins Straucheln. Dieser hob das Schwert, um zuzuschlagen, aber Day-Yan hielt ihn auf. Mit zwei Schritten war Arekh bei Lionor, wischte
ihr das Blut vom Hals und untersuchte die Verletzung, die offenbar nicht schwer war. Die Klinge hatte den Hals und dann die Schulter gestreift, als hätte Lionor sich abgewandt, um das Kind zu schützen und einen Hieb, der ihm gegolten hatte, teilweise abzufangen …
    »Sie haben ihn mir weggenommen!«, schrie Lionor, drehte sich heftig um, riss sich los und deutete auf einen der Krieger. »Sie wollen ihn mir nicht zurückgeben … Sie sagen … sie sagen, dass er sterben wird.«
    Arekh drehte sich um und sah den Kleinen, den einer der Krieger lieblos hielt. Sein kleiner Körper war blutüberströmt. Einen Moment lang hoffte Arekh, es sei Lionors Blut, aber einer der Arme des Kindes stand in einem seltsamen Winkel vom Körper ab.
    »Gebt ihn mir zurück!«, schrie Lionor, als der Mann sich entfernen wollte. Ihre Stimme war schrill, beinahe hysterisch. »Gebt ihn mir!«
    Arekh stieß die Männer beiseite, die versuchten, ihm den Weg zu versperren, sprang nach vorn, schlug den überraschten Krieger und entriss ihm das Kind.
    »Tötet ihn!«, schrie einer der Reiter, aber wieder schritt Day-Yan ein.
    »Lasst nur.« Er trat auf Arekh zu, der das Kind ansah, das einen verrenkten Arm und eine lange, offene Wunde in der Brust hatte. »Hört zu«, sagte er ruhig, beinahe mitfühlend, während Lionor herbeigeeilt kam. »Das Kind wird sterben: Es hat viel zu viel Blut verloren. Wir können es ebenso gut hierlassen. Das ist keine

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