Volk der Verbannten
ihm.
Der Priester wies auf den Westen der Stadtmauern und dann auf Arekh. Danach auf Gilas es Maras und Harrakin. Laosimbas Blick richtete sich auf die beiden Letztgenannten. Dann drehte er sich weg und trommelte stumm mit den Fingern auf den Tisch.
Gilas hatte nichts bemerkt. Er gab Arekh einen Wink und wies auf den oberen Rand des Amphitheaters.
»Eure Göttin«, sagte er.
Marikani setzte sich ans Kopfende des Tisches. Ihr langes dunkles Haar war gekämmt und zu Zöpfen geflochten. Sie trug ein einfaches Reisegewand.
Die linke Hälfte ihres Gesichts war blau bemalt.
Arekh musterte sie stumm. So geschminkt wirkte sie distanziert, unwirklich. Wie eine andere Frau. Doch sie war es, und er vergaß alles: den Krieg, die Nâlas, die auf
ihn warteten, seine Verletzungen, seine Ängste. Es gab nur sie, ihr Gesicht, ihre Hände, die auf dem Tisch lagen, ihre großen braunen Augen, die widerspenstige Haarsträhne, die ihren Hals umspielte. Eine Welle von Gefühlen durchströmte ihn, und um in die Wirklichkeit zurückzukehren umklammerte er die Armlehne seines Stuhls, bis ihm die Finger wehtaten.
Welche Ironie! Marikani hatte ihm oft vorgeworfen, dass er ein kaltes, gefühlloses Ungeheuer sei. Wie schlecht sie ihn doch kannte! Wenn er es recht bedachte, hatte er nur aus Emotionen bestanden, als er sie kennengelernt hatte - Wut, Hass, Verzweiflung, die an die Oberfläche gedrungen waren, obwohl er sie zu unterdrücken versucht hatte.
Sieben Männer saßen am Tisch: Bara, Day-Yan, Laosimba, Gilas es Maras, Pilanos es Maras, Harrakin und Arekh. Marikani musterte sie stumm einen nach dem anderen. Als ihr Blick sich auf Harrakin richtete, fragte sich Arekh, was sie wohl dachte, da sie zum ersten Mal das Gesicht des Ehemanns wiedersah, der sie den Henkersklingen ausgeliefert hatte. Aber die junge Frau ließ sich keine Reaktion anmerken. Harrakin seinerseits verschränkte nur die Arme. Ihm war keine Verlegenheit anzumerken, als sei er nur ein Offizier unter vielen, bereit, ein Bündnis oder einen Vertrag auszuhandeln. Ganz so, als ob es nie eine besondere Verbindung zwischen ihm und der Frau mit den undurchdringlichen Zügen gegeben hätte, die ihn musterte.
Dann richtete sich Marikanis Blick auf Arekh.
Und blieb auf ihm ruhen.
Sie starrten einander einen Moment lang an, bevor Marikani sich an Laosimba wandte. »Hunderttausend Res«, sagte sie abrupt. »In Goldstücken. Achtzig Karren
Mehl im Monat und vierzig Karren Fleisch, die Ihr auf eigene Kosten nach Samara schicken müsst. Ein von Eurer Hand unterschriebener Vertrag, Hohepriester, mit dem Siegel des Fîr, abgezeichnet vom Gouverneur von Kinshara und von der Ratsversammlung, der uns die völlige, ungestörte Kontrolle über die Werften, die Arbeiter und den Hafen zusichert, bis wir abgereist sind, und sicherstellt, dass alle Sklaven, die in den Königreichen noch auf der Flucht sind, ungehindert zu uns stoßen können. Dann werden wir morgen Mittag angreifen. Die Sakâs«, fügte sie mit einem eisigen Lächeln hinzu, als sei es wichtig, das zu präzisieren. »Ich will den unterschriebenen Vertrag mit allen notwendigen Siegeln beim ersten Sonnenstrahl vorliegen haben. Wenn ich nicht erhalte, was ich verlange, greife ich dennoch an. Eure Männer. Ich werde mit größtem Vergnügen eigenhändig das Große Tor in Brand stecken.«
Völlige Stille folgte auf ihre Erklärung.
Arekh war sich seiner Umgebung plötzlich sehr bewusst: der Eskorte aus Reynes, die vierzig Schritt entfernt wartete, der fünfzehn Seelenleser in ihren grausilbernen Gewändern, die einige Fuß hinter dem Hohepriester standen.
Und der Tausenden von Raubkatzen, die rings um sie in diesem natürlichen Amphitheater warteten und deren Blicke wie eine schwere Decke auf ihnen lasteten.
Gilas rutschte verlegen auf seinem Stuhl herum. Pilanos wirkte wie betäubt, als könne er die Dreistigkeit der Demeana nicht fassen - und auch nicht, dass sie sich alle hier befanden und zuhörten, wie diese Frau, die eine lebende Lästerung der wahren Götter war, ihre Bedingungen stellte.
Harrakin wippte auf seinem Stuhl zurück und verbarg ein amüsiertes Lächeln. Der König von Harabec musterte seine einstige Frau, und Arekh las in seinen Augen eine Mischung aus Bewunderung und Stolz.
Noch einige Augenblicke Schweigen.
»Abgemacht«, sagte Laosimba.
Und das war alles. Es gab keine Diskussion, kein Feilschen. Das Gespräch endete natürlich nicht gleich; die genaue Formulierung der einzelnen Vertragsartikel
Weitere Kostenlose Bücher