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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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den braven Gesetzeshütern vom Posten Bernhardsau endlich einmal geglückt war, dem wahrscheinlich berühmtesten Raser in der ganzen Gegend den Führerschein abzunehmen. Natürlich war das hochgradig ungerecht gewesen. Weil der Andi mit seinen 1 , 8  Promille in dieser Nacht auch nicht mehr gehabt hatte als sonst immer. Und er war nicht nur jedes Mal mit diesem Spiegel heimgekommen, ohne bei dem Unfall zu krepieren, den ihm immer alle prophezeit hatten, nein: Er hatte in diesem Zustand auch noch mit 17  Minuten und 26  Sekunden den bis heute ungebrochenen Rekord von Langegg nach Wulzendorf aufgestellt.
    Das Auto, das die Polizei dann nicht gefunden hatte, war jenes gewesen, das den Andi auf seinem Heimweg zu Fuß im Finsteren zur Kühlerfigur gemacht und eineinhalb Kilometer mitgeschleift hatte. Im ganzen Bezirk hatten sie sich damals alle anthrazitgrauen Autos angeschaut. Und das waren nicht wenige gewesen. Alleine in Wulzendorf acht und in Bernhardsau angeblich sogar zwölf. Ergebnis: keines. Und das war schon eine unglaubliche Niederlage gewesen. Wo doch das, was vom Andi nach seinen letzten eineinhalb Kilometern übrig geblieben war, auch unübersehbare Schäden an dem Auto hinterlassen haben musste, nicht nur umgekehrt.
    « 17  Minuten  26 », sagte der Urban Ernstl mit brüchiger Stimme und hob sein Bier. «Unvergessen!»
    «Auf den Andi», sagten zwei, drei andere, und alle hoben ihre Gläser. Auch der Suchanek. Er hatte als Kind ab und zu mit dem Andi gespielt, der ungefähr in seinem Alter gewesen war. Begünstigt worden war dieser nahezu unglaublich enge Kontakt – Suchanek konnte sich nämlich nicht erinnern, dass seine Mutter sonst irgendein Kind in seine Nähe gelassen hätte – dadurch, dass er bei den Hieflern immer die Milch geholt hatte. Jeden Tag einen Liter, frisch vom Euter. Und zu dem Liter hatte er auch, gratis immerhin, eine Textmenge von der Achterin dazubekommen, mit der normale Menschen eine Woche ausgekommen wären. Als die Hieflers dann, wie fast alle Bauern im Ort, beschlossen, die Kühe abzuschaffen, weil Kühe Arbeit machen und Subventionen nicht, hätte Suchanek beinahe einen Dankesbrief an den EU -Landwirtschaftskommissar geschrieben. Aber dann war ihm wohl irgendwas Wichtiges dazwischengekommen. Und die Achterin war eh bald darauf gestorben. Das fiel dem Suchanek heute noch ein, wenn er nach einem Beispiel für schlechtes Timing suchte.
    Nach diesem schönen Moment des Gedenkens an eine Legende fühlte Suchanek mit dem ihm einfach ureigenen Instinkt, dass die Gelegenheit günstig war, eine andere Legende anzusprechen. «Sag einmal, Edi», leitete er geschickt ein. «Das Hansi-Burli-Match morgen … Das machen wir jetzt eh nicht, oder?»
    «Was?» Edis Empörung über diesen versuchten Denkmalsturm war mit Händen zu greifen. «Und wie wir das machen! Wir haben doch gerade beschlossen, dass das Volksfest weitergeht. Hast du eine Ahnung, was wir allein bei dem Match immer einnehmen?»
    «Ach so, na ja. Ich hab mir nur gedacht, dass das jetzt nicht so günstig ist. Und dass ihr vielleicht alle eine Weile mehr auf Tauchstation gehen wollt.»
    «Und wieso sollten wir das bitte machen?», antwortete der Pfarrhofer empört. «Wir tragen diese Uniform mit Stolz!»
    Oh mein Gott. Der Zauber der Montur, das hatte jetzt gerade noch gefehlt.
    «Und dass uns da jetzt einmal ein kleiner Lapsus passiert ist, ändert daran überhaupt nichts.»
    René schaute Suchanek verächtlich an. Und dann verhängte er die Höchststrafe: «Aber das versteht einer aus der Stadt halt nicht.»
    Grasel rettete Suchanek aus dieser peinlichen Lage. Er gab ihm mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass er mit nach hinten ins Lager kommen solle.
    «Da hast», sagte er und drückte ihm ein Säckchen mit Gras in die Hand. «Als kleinen Trost dafür, dass du morgen doch spielen musst.»
    «Na ja. Mein Heimaturlaub verläuft ja bis jetzt überhaupt grandios. Das hab ich mir ein bisschen anders vorgestellt.»
    Er drückte sich an die Wand neben dem Durchgang zum Lokal und spähte um die Ecke. «Was meinst du? War es einer von denen?»
    «Na ja. Kann leicht sein. Sie scheinen es ja selber fast zu glauben.»
    «Und welcher am ehesten?»
    «Keine Ahnung. Es ist ja dann eh immer der, dem man es nie zugetraut hätte.»
    Grasel stellte sich auch zu dem Durchgang und schaute hinaus. «Der Urban Ernstl ist so dämlich, der würde sicher selber verbrennen, weil er den Stadl innen anzünden würde und dann nicht mehr rauskäme.

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