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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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bald aufs Bett vortastete und schließlich genau auf seinem bedeckten Gesicht hängen blieb.
    Seine Tarnung war überraschenderweise aufgeflogen.
    Einundzwanzig.
    Einundzwanzig.
    Einundzwanzig.
    Drei tagelange Sekunden Stillstand.
    Dann sprang Suchanek brüllend auf und stürzte sich, die Decke als Schutzschild vor sich haltend, auf den Mann. Überrascht von der plötzlichen Attacke, taumelte der rückwärts, verlor die Lampe, stolperte über einen Sessel und fiel hin. Suchanek warf sich samt der Decke über ihn, kniete sich auf die solcherart entstandene, im Vergleich zu ihren vorbildhaft ruhigen ägyptischen Vorfahren allerdings unangemessen wild strampelnde Mumie und begann unkontrolliert auf sie einzudreschen.
    Der Mann unter ihm stöhnte und grunzte erstickt. Er versuchte, Suchanek abzuwerfen, doch in der Einwicklung konnte er sich nicht wirklich wehren. Allerdings dämpfte die Daunendecke die ohnehin nicht unbedingt klitschkoeske Wirkung von Suchaneks Schlägen noch weiter. Und da ein Punktesieg in den heutigen Regeln ja eher nicht vorgesehen ist, lief das Ganze im Moment auf ein Unentschieden hinaus, mit dem beide Kontrahenten nur bedingt glücklich sein konnten. Allerdings hatte Suchanek gerade nicht den Kopf, großartige taktische Überlegungen über den Fortgang dieser Auseinandersetzung anzustellen. Er drosch einfach immer weiter. Und so blieb es dem anderen vorbehalten, dem Kampf, den unbeteiligte Zuschauer in der Zwischenzeit wohl schon als etwas langatmig angesehen hätten, eine entscheidende Wende zu geben.
    Das von der glänzenden weißen Kunststoffbeschichtung des Einbaukastens flächig zurückgestreute Licht der Taschenlampe reichte Suchanek durchaus, um zu erkennen, dass das Reißgeräusch, welches sich mit einem Mal an der Innenseite seines linken Oberschenkels bemerkbar machte und sich zielstrebig in Richtung seiner Eier fortbewegte, von einem beachtlich großen Messer stammte, das sich von unten durch die Decke bohrte.
    Daunen tanzten lustig in der Luft. Suchanek ließ sich davon aber klugerweise nicht weiter beeindrucken und entschied, nicht darauf zu warten, bis sich der Hirschfänger an einer Stelle seines Körpers einparkte, die zwar objektiv betrachtet nicht so wichtig war wie die meisten anderen, aber: dennoch. Er sprang auf, rannte hinaus und die Treppe hinunter. Unten angekommen, stand er vor der Wahl, entweder in Richtung Küche abzubiegen und seinerseits mit einem Messer aufzurüsten – oder vielleicht mit einer Käsereibe, mit der man dem Aggressor sicher einen extrem langsamen, qualvollen Tod bescheren könnte – oder zu flüchten.
    Sein Gegner hatte sich in der Zwischenzeit auch aufgerappelt und nahm gerade polternd die Treppe in Angriff. Suchanek rannte zur Eingangstür und zerrte wild an der Klinke. Zugesperrt. Und kein Schlüssel. Wo auch immer der Kerl hereingekommen war – hier jedenfalls nicht.
    Suchanek machte kehrt. Sein Gegner war fast schon unten. Suchanek rannte auf den Kellerabgang zu, der neben der Treppe war, und schaffte es gerade noch hinein, bevor der andere nach ihm greifen konnte. In drei großen Sätzen sprang Suchanek die dunkle Kellerstiege hinunter und riss die Tür zum Heizraum auf.
    Ein flacher wurstförmiger Schatten schoss an seinen Beinen vorbei. Mit sich vor Wut überschlagendem Gekläff stürmte der Hund auf den Einbrecher zu, der durch den Angriff auf seine Beine das Gleichgewicht verlor und von einem ungläubigen Schrei begleitet die halbe Treppe hinunterrollte. Suchanek rannte weiter in den Heizraum und entriegelte das kleine Fenster, durch das er in der Prä-Heizöl-Ära immer tonnenweise Koks hatte schaufeln dürfen.
    «Hilfe!», brüllte er in die Nacht und begann sich nach draußen zu zwängen. «Der Mörder! Hilfe!»
    Hinter ihm hörte er plötzlich den Hund laut aufjaulen. Suchanek quetschte das letzte Stück von sich nach draußen, schürfte sich dabei an irgendeinem Metalldings, das aus dem Fensterbrett stand, bös den linken Oberschenkel auf, fiel dann aus dem Fenster, das aber eh nur einen Meter über dem Boden war, rappelte sich auf und begann zu rennen, unablässig weiter nach Hilfe brüllend.
    Er lief durch den Garten, sprang mit einer astreinen Flanke, die er früher im Turnunterricht niemals so zusammengebracht hatte, über das niedrige Tor auf die Straße und bog immer weiter schreiend nach rechts ab. Er schaute sich nicht um, ob ihn der Angreifer immer noch verfolgte, lief an einem Nachbarhaus vorbei, an noch einem, weiter zu dem

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