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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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Bereitschaft, jetzt aufzustehen und den Köter in die Schranken zu weisen, in relativ überschaubaren Grenzen. Zum Ersten würde er dazu zwei Stockwerke hinabsteigen müssen, also ungefähr so weit, wie es sich Jules Verne bei der Reise zum Mittelpunkt der Erde ausgemalt hatte. Und: dann auch wieder hinauf. Außerdem würde es wahrscheinlich sowieso nichts nützen, bei der Tiefe dieser speziellen Mensch-Tier-Beziehung hier. Wahrscheinlich würde der Hund sogar noch hysterischer werden, wenn er merkte, dass Suchanek immer noch unbefugt in seinem Revier aufhältig war. Wahrscheinlich würde er ja eh bald wieder von selbst aufhören. Und vielleicht könnte man in den Traum ja doch noch genau dort wieder …
    Dann knarrte es.
    Es war in der Phase der mittleren Adoleszenz gewesen, als Suchanek damit begonnen hatte, sich näher mit einem Teil des elterlichen Hauses zu befassen, der ihm bis dahin genauso intensiv wurscht gewesen war wie der ganze Rest. Denn die Treppe hinauf in den ersten Stock, in dem sich die Schlafzimmer befanden, war aus Holz. An sich solide niederösterreichische Fichte, vom Borkenkäfer noch unberührt. Nicht hingegen vom Bachleitner Karl, dem in der Zwischenzeit auch schon längst nichts mehr weh tat, der aber einst die Bretter in nicht restlos unbezahlter Nachbarschaftshilfe sinnstiftend zusammengenagelt und danach mit schmuckem dunkelgrünen Filz beklebt hatte. Dieser wiederum kam dem jungen Suchanek aufgrund seiner schalldämpfenden Eigenschaft beim Raufschleichen in sein Zimmer vor allem dann zupass, wenn es bei der nächtlichen Rückkehr vom Freigang, der im Jugendstrafvollzug der Anstalt Suchanek zwar nicht gern, aber zähneknirschend mitunter doch gewährt wurde, wieder einmal noch etwas später als deutlich zu spät geworden war.
    Doch trotz des überaus nützlichen Filzes waren da immer noch die Stufen sieben, dreizehn und zweiundzwanzig. Suchanek hatte im Lauf zahlreicher nächtlicher Begehungen nun wirklich alles ausprobiert. Doch egal, ob er die feindlichen Lautgeber mehr links, mehr rechts oder schlicht zentral betrat – sie waren vom Bachleitner Karl dergestalt ins große Ganze eingefügt worden, dass sie knarrten. Suchanek war darum bald dazu übergegangen, behände über sie drüberzusteigen, eine Taktik, die allerdings klarerweise nur dann funktionierte, wenn man noch nüchtern genug zum fehlerfreien Stufenzählen war. Wobei: Selbst wenn diese Taktik funktionierte, schlug sich der Erfolg eigentlich statistisch auch nicht wahnsinnig signifikant nieder, gelang es doch Suchaneks Mutter seit der Zeit, in der sie schon dem Vater das Fortgehen erfolgreich abgewöhnt hatte, ohnehin locker in der Hälfte aller Fälle bereits aufzuwachen, sowie sich ein Schlüssel im Schloss drehte.
    Jetzt wusste aber sogar der Suchanek, dass Holz arbeitet. Holz bleibt ja auch dann der lebendigste aller Werkstoffe, wenn das Kettensägenmassaker, bei dem Bruder Baum ermordet worden ist, schon Jahrzehnte her ist. Also ächzt und stöhnt der Untote immer weiter vor sich hin, als erinnerte er sich wehmütig an die Zeit, in der er noch forsch himmelwärts strebte und sich elegant im Winde wiegte.
    Und das musste jetzt auch überhaupt nichts mit Stufe sieben zu tun haben, dachte Suchanek dann, es konnte schließlich ganz woanders geknarrt haben, im Geländer etwa, das war ja zeit seiner Anwesenheit hier wirklich zur Genüge strapaziert worden, oder auch in der Seitenverkleidung, die vielleicht vom Bachleitner Karl ein wenig ungenau eingepasst worden war, weil er es an jenem Abend schon ein bisschen eilig gehabt hatte, zum Wirten zu kommen, und die deshalb bis heute unter Verspannungen litt, ach, da gab es ja Möglichkeiten noch und nöcher, und als Suchanek diesen Gedanken zu einem, wie er fand, doch beeindruckend schlüssigen Ende gebracht hatte, knarrte Stufe dreizehn.
    Mit einem Mal fühlte sich der Suchanek doch merklich frischer. Der Hund im Keller tobte immer noch. Sieben und dreizehn hatten geknarrt. Suchanek gewann langsam den Eindruck, dass er ein Problem hatte. Eines, das gerade die Stiege hinaufkam.
    Was sollte er jetzt bloß machen? Da war wer im Haus, verdammt! Suchanek fühlte Panik in sich aufsteigen. Jemand sollte die Polizei verständigen. Und dem Suchanek fiel sogar bedeutend schneller als in der Vornacht ein, dass dieser Jemand nach Lage der Dinge eigentlich nur er selbst sein konnte. Wobei – was wählte man da? Dasselbe wie in der Stadt, also … keine Ahnung was? Rief man da nicht besser

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