Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
Vom Netzwerk:
den Kommandanten der örtlichen Polizeiwache an? Das war ja das Schöne am Dorfleben, dass man einander kannte und dem Chefkieberer viel schonender als irgendeine anonyme Notrufzentrale mitteilen konnte, dass …
    Es gab ja überhaupt keine Scheiß-Polizeiwache in Wulzendorf. Die nächste war in Bernhardsau. Und wer auch immer da die Treppe hinaufkam, war innert der nächsten zehn Sekunden oben. Das würde selbst die sicherlich überaus alerte schnelle Eingreiftruppe der Bernhardsäue schwerlich unterbieten können.
    Was also sonst tun? Aufspringen, die Tür aufreißen und sofort in den Angriffsmodus übergehen? Nun ja. Nachdem bei der Prozentrate aller erwachsenen Männer weltweit, die Suchanek körperlich überlegen waren, von hundert nicht viel abging und er die Chance, dass eine durchsichtige Bulimikerin, ein schlafwandelnder Volksschüler oder ein keine Kampfsportart beherrschender Pygmäe in das Haus eingebrochen hatten, eher gering einschätzte, war das nicht unbedingt eine zielführende Option.
    Andererseits ist es ja Allgemeingut, dass es der Einbrecher als solcher gemeinhin eher weniger schätzt, wenn sich im Zielobjekt noch ein Subjekt befindet. Denn das gibt ja dann oft einmal Brösel, wenn sich so ein renitenter Kleinbürger nicht und nicht von seinem vier Quadratmeter großen Fernseher trennen will und kurz einmal die Pumpgun durchlädt und so.
    Also würde es vielleicht reichen, wenn Suchanek, sowie der zum Eigentumsdelikt Entschlossene durch die Tür kam, aus dem Bett spränge und ihm den Haka vortanzte. Und zwar im T-Shirt. Nur im T-Shirt.
    Man konnte nicht einschätzen, was denn den Maori-Kriegstanz, den die neuseeländischen Rugbyspieler vor jedem Spiel vollführen, um den Gegner einzuschüchtern, in diesem speziellen Fall potenziell noch gefährlicher aussehen lassen würde: dass Suchanek untenrum nichts anhatte – oder dass sein Leibchen ein zwar verwaschenes, aber eben doch als solches erkennbares T-Shirt von Bananarama war.
    Als dem Suchanek aber gleich im Anschluss daran einfiel, dass zwei im Garten geparkte Autos auch von einem Einbrecher, der sein Diplom nicht in Oxford gemacht hatte, als sachdienlicher Hinweis darauf verstanden werden könnten, dass hier möglicherweise jemand zu Hause war, und ihm weiters mit größtmöglicher Wucht bewusst wurde, dass letzte Nacht ein paar hundert Meter entfernt von hier schon die Mantlerin unangenehmen Besuch bekommen hatte und dass er seither in der zwar irregeleiteten, aber eben doch öffentlichen Meinung zum zuverlässigsten Belastungszeugen seit Monica Lewinsky geworden war – als also beim besten Willen nicht mehr zu leugnen war, dass sich der, der hier gerade raufkam, wohl nicht auf der Suche nach einem prallen Sparstrumpf befand, knarrte Stufe zweiundzwanzig.
    Dies war ausgesprochen unerfreulich. Denn nach zweiundzwanzig kam nur mehr dreiundzwanzig.
    Nun hatte der Eindringling drei Türen zur Auswahl. Die linke führte ins Schlafzimmer der Eltern und hatte den bestechenden Vorteil, dass sich Suchanek, der es nach dem ersten Nachmittagsnickerchen nicht mehr riskieren wollte, sich unter das Bild dieser Madonna mit den zwei fetten Barockengeln zu legen, nicht hinter ihr befand.
    Die mittlere führte in das frühere Bubenzimmer Suchaneks, also ins Klo. Suchanek war hinter der rechten Tür, in dem Zimmer, das früher seiner Schwester gehört hatte. Es war größer und angenehmer, nicht zuletzt deshalb, weil man hier nicht in einem Bidet schlafen musste.
    Nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung sah es also für Suchanek zumindest kurzfristig gar nicht schlecht aus. Er hatte eine Zweidrittelchance. Die würde ihm noch etwas Zeit dazu verschaffen, seine überlegene Ortskenntnis zu nutzen und sich möglichst lautlos und vollkommen unauffindbar zu verstecken. Außer natürlich, er würde jetzt gleich hören, wie die Klinke der richtigen Tür hinuntergedrückt würde.
    Dann hörte er, wie die Klinke der richtigen Tür hinuntergedrückt wurde.
    Suchanek hatte also keine Zeit mehr. Das hinderte ihn aber nicht daran, dennoch geistesgegenwärtig seine überlegene Ortskenntnis zu nützen: Er zog sich die Decke über den Kopf und stellte das Atmen ein.
    Die Tür schwang langsam auf. Suchanek hörte, wie der Eindringling zwei vorsichtige Schritte ins Zimmer hinein machte und dann stehen blieb. Und trotz der Decke über seinem Gesicht konnte Suchanek den Lichtstrahl einer Taschenlampe erkennen, der zuerst suchend im Zimmer umherschwankte, sich dann aber

Weitere Kostenlose Bücher