Volksfest
leicht belustigt auf Suchanek, wanderte dann zur Urli und wieder zurück. Suchanek zog die Augenbrauen hoch und zuckte hilflos mit den Schultern.
Jetzt fiel der Urli auf, dass Suchanek verletzt war. «Jessas, was ist denn mit dem Goscherl passiert? Du blutest ja! Na geh, so was. So schöne, volle Lippen hat er. Und dann tät er sich die ruinieren wegen dem alten Hansi-Burli. So ein guter Bub!»
«Er hätte ja auch ausweichen können», sagte jemand hinter Suchanek. Es war der Kunstschütze.
Der Sechser war ein Typ, der eine ständige Raufbereitschaft ausstrahlte. Wenn so einer wie er in ein Lokal kam, blieb er am Eingang immer noch ein paar Sekunden stehen und schaute sich nach lohnenden Gegnern um. Er war nicht besonders groß, aber sehr kompakt. Sein Minipli war, da er mittlerweile auch schon über vierzig war, grau durchzogen. Und dann trug er so einen scharf getrimmten Vollbart, der kein Vollbart war, sondern nur so ein Bartentwurf aus einzelnen Haarstrichen, ein Bartgitter, wie man es jetzt halt haben musste.
Hartl umrundete Suchanek und beäugte dessen Lippe. «Tja. Das kommt davon», sagte er dann achselzuckend.
«Das kommt wovon?», fragte die Urli mit böse zusammengekniffenen Augen, weil sie ja immer schon ein Herz für die Schwachen gehabt hatte.
«Wenn man mir in die Quere kommt.»
Bevor diese Unterhaltung noch ein wenig unangenehmer werden konnte, griff Spakowitsch ein. «Herrschaften!», rief er und klatschte aufmunternd in die Hände. «Ich möchte alle noch einmal daran erinnern, dass nachher die Feuerwehr bei der Lacke einen Einsatz der besonderen Art durchführen wird. Einen, über den sich, glaube ich, alle freuen werden.»
«Ist es wieder Trockentraining?», fragte Heimeder listig. «Oder diesmal mit Wasser?»
«Sehr witzig, Kurtl. Statt immer nur zu meckern, wäre es schön, wenn du uns zur Abwechslung vielleicht einmal unterstützen würdest.»
«Das mach ich doch», protestierte der Alleinunterhalter. «Heute Abend im Bierzelt.»
Edi sah ihn mitleidig an. «Unterstützen hab ich gemeint, Kurtl. Nicht noch mehr schaden.»
Wenn es etwas gab, das der Heimeder nicht leiden konnte, dann, wenn die Leute über ihn lachten. Also, nicht über seine Witze, sondern über ihn. Und so herzhaft, wie sie jetzt lachten, lachten sie über seine Witze eher selten.
«Jetzt schau halt nicht so drein», versuchte die Susi Suchanek, der sich inzwischen von der Burli-Urli hatte befreien können, etwas aufzumuntern. «Kennst eh den Hartl. Der hat die Freundlichkeit noch nie mit dem Löffel gefressen gehabt.»
«Ja, eh. Ich muss dir dann was erzählen. Hoffentlich ist dieser Blödsinn hier bald vorbei.»
Manche Wünsche sollte man sich ja eher gut überlegen. Sonst gehen sie am Ende noch in Erfüllung. Vielleicht fünf Minuten nach der Pause machte der Lasnik Pepi einen weiten Abschlag aus der Hälfte der Verheirateten. Der dumme Keller-Bub rutschte aus, und auf einmal lief der Pfarrhofer René mit geblähten Nüstern alleine auf Suchaneks Tor zu. Suchanek tat, weil er noch die Tendenz gezeigt hatte, aus Schaden klug zu werden, wieder das, was ORF 1 neben ihm sagte («Renn raus! Jetztjetztjetzt!»), erreichte diesmal aber tatsächlich knapp außerhalb des Strafraums den Ball, den sich der René bei seinem ungelenken Galopp zu weit vorgelegt hatte, und schoss ihn in hohem Bogen aus der Gefahrenzone.
Erledigt, der Fall.
Nein. Doch nicht.
Denn der Pfarrhofer blieb nicht stehen. Er trampelte mit weit aufgerissenen Augen und verzerrtem Mund einfach weiter. Und bevor der Suchanek kapiert hatte, dass er vielleicht ausweichen sollte, weil dies nämlich heranbrausende Züge, wie gerade er wissen musste, nie taten, donnerten 1 , 93 Meter und 105 Kilo ungebremst in ihn hinein.
Es dauerte sechs oder sieben Minuten, bis er wieder Luft bekam. Wobei der René, das musste man ihm eindeutig zugutehalten, alles tat, um die Erholung zu beschleunigen, kniete er doch die ganze Zeit unter Ausstoßung von Selbstverwünschungen und Schwüren, wie leid ihm das alles tue, neben dem Suchanek und tatschte ihn hilflos ab. Schon alleine Suchaneks Befürchtung, René würde jetzt gleich Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten, ihm also mit dem, was er für eine Herzmassage hielt, das Brustbein endgültig brechen und ihm anschließend einen Zungenkuss geben, beflügelte die Selbständigkeit der Atmung ungemein.
Grasel forderte in der Zwischenzeit vehement beim Neuner-Ranreiter eine Rote Karte für den Pfarrhofer ein. Aber der
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