Volksfest
toppen.
Und vor dem Löschzug stand also nun der junge Einser-Neuhold mit so einer rot-grünen Verkehrssicherheitskelle in der Hand und verdeutlichte Suchanek mit majestätischen Schwenkbewegungen, er solle links an dem geparkten Einsatzfahrzeug vorbeifahren. Ganz so, als hätte es eine andere Möglichkeit gegeben, der nicht die Notwendigkeit innewohnte, sich relativ abrupt zwei Meter tiefer in den Straßengraben zu begeben.
Unten in ebendiesem Graben waren ein paar Feuerwehrmänner dabei, einen Schlauch auszulegen. Und vor dem großen Kanalrohr standen der Neuner-Ranreiter und der Pfarrhofer René und schauten versonnen hinein. Suchanek tat, wie ihm von der trotz ihrer Jugend offenbar schon sehr gut ausgebildeten Einsatzkraft beschieden, und passierte den Löschzug im Schritttempo auf der richtigen Seite. Er überlegte kurz, ob es sich auszahlte, stehen zu bleiben, befand dann, dass es ihn doch interessierte, parkte sich kurz vor der Sackgasse ein und stieg aus.
Dann ging er, mit vorgeschobenem Becken und nach hinten kippenden Schultern, auf die erste Gruppe von Beobachtern der zu erwartenden Hochleistungsschau zu. Die Kanschitze standen da, der Siebzehner-Stratzner, die Gerstmeierin, der Heimeder Kurtl und ein junges, Händchen haltendes Paar, das der Suchanek nicht kannte, weil es vor fünfzehn Jahren ohne jeden Zweifel noch in die Windeln geschissen hatte.
Nur bei der Dreier-Kanschitzin zuckte kurz der linke Mundwinkel, als sie Suchanek in der Haltung eines 94 -jährigen Adipositas-Kranken daherkommen sah. Aber sonst tat sie wie alle anderen auch, als sei hier eh alles normal.
«’n Tag», sagte Suchanek. «Was machen die da?»
«Sich lächerlich, so wie ich sie kenne.»
Suchanek hatte kurzfristig vergessen, dass er es im Heimeder Kurtl mit einem unerbittlichen Kritiker an den herrschenden Zuständen im Allgemeinen und dem Wulzendorfer Feuerwehrwesen im Besonderen zu tun hatte. Zweiteres bevorzugterweise dann, wenn keiner von der Feuerwehr in Hörweite war.
«Sie wollen das Rohr durchputzen», erklärte die Gerstmeierin. «Zeit wird’s.»
«Wirklich wahr!», ereiferte sich die Kanschitz. «Der Gestank ist ja wirklich nimmer auszuhalten.»
«Zu meiner Zeit hätte ich ja schon längst dafür gesorgt, dass die Gemeinde das macht. Aber jetzt kümmert sich ja keiner», sagte die Gerstmeierin leicht bissig.
Der Siebzehner spürte mit dem untrüglichen Instinkt für durch böswillige Nestbeschmutzung verletzte Gefühle der einfachen, anständigen Leute, die Politiker seines Schlages so auszeichnete, dass hier gerade das wichtigste aller Nester beschmutzt wurde: seines. Und der alte Trampel, der selber gern Ortsvorsteherin gewesen wäre, brauchte nicht glauben, dass er ihr das durchgehen lassen würde.
«Die Bernhardsäue haben seit vierzig Jahren nichts für uns gemacht. Nicht nur das, ausgenommen haben sie uns auch noch wie die Weihnachtsgänse. Und da werden sie sicher ausrücken und uns das Rohr da putzen, weil ihnen die Frau Gerstmeier das sagt. Und überhaupt: Wenn Sie Bernhardsau so super finden, warum ziehen Sie nicht gleich hinüber?»
Die Gerstmeierin lief rot an und legte ihre Stirn in Falten, erwiderte aber nichts.
«Geht’s schon wieder besser?», fragte der Heimeder Kurtl den Suchanek, um von der peinlichen Situation abzulenken. «Das war ja wirklich ein arges Foul. So was ist echt nicht notwendig in einem Freundschaftsspiel.»
«Es geht schon», sagte Suchanek. «Langsam gewöhn ich mich dran, dass ich hier offenbar nur Prügel bekomme.»
«Hat sich der René wenigstens entschuldigt?», wollte der Achter-Hiefler wissen. «Ich kenn mich mit Fußball ja nicht aus, aber für mich hat das schon so ausgesehen, als hätte er das mit Absicht gemacht.»
«Jaja. Es war ihm sehr unangenehm. Also, glaube ich zumindest … Äh, wie soll denn das hier funktionieren? Die Feuerwehr spritzt einfach bei der einen Seite in das Rohr hinein, und der ganze Dreck rinnt dann in die Lacke?»
«Genau», sagte der Dreier. «Bin schon gespannt, was der Willi da alles reingehaut hat.»
«Sicher lauter urgrausliches Zeug», schüttelte es den jungen Burschen, der an der Pickelfront dem Suchanek von früher durchaus das Gesichtswasser hätte reichen können.
«Wäääh», ergänzte seine Begleiterin und schüttelte ihr mit rosa Strähnen durchseuchtes, kellerschwarz gefärbtes Haar.
Generell schwebte eine Atmosphäre wohligen Grusels über der Lacke. Wie im Kino, bevor der Horrorfilm anfängt. Die Erwartungen an
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