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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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seid’s meine goldenen Buben», rief die Urli unter Tränen, die sich den Weg durch kiloweise verkrustete Wimperntusche bahnten und schließlich durch vermutlich extra zu diesem Zweck angelegte, tiefe Krähenfüße abgeleitet wurden. «Alle miteinander, wie ihr da seid’s!» Was Suchanek aufgrund seiner langen Absenz nicht wissen konnte: Genau das rief sie jedes Jahr. Das Hansi-Burli-Match war in Urlis Leben, in dem nun wirklich keine positiven Überraschungen mehr zu erwarten waren, der alljährliche Höhepunkt. «Der Hansi sitzt jetzt auf seiner Wolke und trinkt ein Rüscherl auf euch!» Ob der Hansi tatsächlich auf einer Wolke saß, darüber gingen die Meinungen sicherlich auseinander. Aber falls es so war, dann trank er hundertprozentig ein Rüscherl.
    Als Suchanek sich auf dem Weg aufs Spielfeld an der Burli-Urli vorbeizustehlen versuchte, war das natürlich hochgradig zum Scheitern verurteilt. Die Urli schoss auf ihn zu wie der Tiger, dessen Muster ihren Busen umschmeichelte, und hängte sich Suchanek an den Hals.
    «Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll!» Dann näherte sie sich seinem Ohr und flüsterte: «Aber wenn ich so nachdenk, würd mir schon was einfallen!»
    Und jetzt, beim Stand von 0 : 2 nach gerade einmal fünfzehn Spielminuten, überlegten sich ein paar besonders rührige Fans, wie sie dem Panther von Wulzendorf ihre unverbrüchliche Unterstützung verdeutlichen könnten. Das Ergebnis ihres Nachdenkprozesses, der ohne die kreisende Slibowitz-Flasche nie in so ein zufriedenstellendes Ergebnis gemündet wäre, war ein Sprechchor:
    «Such-a-nek
    Mör-der-schreck!
    Such-a-nek
    Mör-der-schreck!»
    Suchaneks Freude war überbordender als ein Betriebsausflug von zu Seekrankheit tendierenden Archivaren nach Kap Horn.
    Die zweite für Suchanek ganz konkret unangenehme Folge des Spielstandes war, dass sich der Gärtner Poldi, der wegen seiner Fettleibigkeit («Eine Stoffwechselsache. Die Ärzte sind ratlos») nicht mitspielen konnte, aber wenigstens seit Spielbeginn neben Suchaneks linker Stange stand, nunmehr noch heftiger bemüßigt fühlte, helfend einzugreifen. Und also unablässig auf ihn einredete.
    Das erste Tor für die Verheirateten hatte der Einundzwanziger-Wantuschka schon nach fünf Minuten geschossen, als er am rechten Flügel dem leicht desorientierten, also eh wie im richtigen Leben auch agierenden Urban Ernstl davongelaufen war und den Ball dann lässig an Suchanek, der dem Rat von Privatcoach Poldi («Renn raus! Jetztjetztjetzt!») gefolgt und viel zu früh und vollkommen planlos aus dem Tor gelaufen war, vorbeigeschoben hatte.
    Und das 2 : 0 war ein Elfmeter vom Spakowitsch Edi gewesen, verhängt wegen eines Handspiels von Spielertrainer Grasel, der auf der Linie für seinen Tormann, der eine Flanke unglücklich um höchstens eineinhalb Meter unterlaufen hatte, mit der Hand gerettet hatte. Von der eigentlich fälligen Roten Karte für den Grasel hatte der Neuner-Ranreiter, der sich erst, nachdem ihm mehrfach versichert worden war, er müsse garantiert nie auf Ballhöhe sein, bereit erklärt hatte, den Schiedsrichter zu machen, großherzig abgesehen. Weil die Ledigen ja ohnehin schon nur zu zehnt spielten.
    Die Verheirateten hatten es ja leider abgelehnt, die missliche Lage der Ledigen solidarisch zu entschärfen und ebenfalls mit einem Mann weniger anzutreten. Der Sechser-Hartl meinte streng, Fußball spiele man nun einmal zu elft, das stehe in jedem Regelbuch, sogar bei den Bloßfüßigen unten in Bananien sei das so, da könnten sie auch den Pater Akwuegbu fragen, wenn sie wollten. Wenn die Ledigen nicht einmal elf Kombattanten zusammenbrächten, seien sie immer noch selber schuld und niemand könne vom Gegner erwarten, dass er sich seine in wochen-, wenn nicht monatelanger Detailarbeit zusammengetüftelte taktische Ausrichtung zusammenhaute und etwa aus einem hochmodernen 4 – 2 – 3 – 1 ein schon weitaus weniger sinnstiftendes 4 – 2 – 3 – 0 machte. Und außerdem hätten die Ledigen eh schon einen enormen psychologischen Vorteil, nämlich den, nicht verheiratet zu sein.
    Während der Suchanek fachmännisch die Mauer für den von ihm aufgrund seiner bedauerlichen kleinen Regelschwäche verursachten Freistoß einrichtete – er drapierte dazu gefinkelt die gesamte Mannschaft so flächendeckend wie möglich auf die Torlinie –, war es unüberhörbar, dass sich im bis dahin recht geschlossenen Mannschaftsgefüge der Ledigen erste kleine Risse auftaten.
    «Wenn wir mit

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