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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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sah dafür keinen Anlass: «Das war doch ein ganz normaler Zusammenstoß, wie er in jedem Match vorkommt.»
    «Ein ganz normaler Zusammenstoß? Ein ganz normaler Zusammenstoß? Entschuldige die Frage, aber bis wohin geht bei dir normal? Wenn man auf den Rippen vom Suchanek Kleiderbügel aufhängen kann?»
    «Sie wollten halt beide den Ball haben. Das war einfach Pech.»
    «Das hat doch bitte ein Blinder gesehen, dass das Absicht war. Der René hätte locker noch stehen bleiben können. Aber er wollte ihn einfach niederhauen! Pech sagt er! Wenn das Pech war, dann war es nach deiner Logik auch Pech, dass die Johanna verbrannt ist, oder?»
    Das hatte der Pfarrhofer jetzt aber gehört. Er beendete abrupt die Erste Hilfe, sprang auf und marschierte auf den Grasel zu. «Was war das jetzt? Pass ja auf, was du sagst!», dampfte er.
    Der Neuner stellte sich zwischen die beiden und funkelte Grasel böse an. «Es reicht jetzt, Alex. Ich bin der Schiri, und ich sage, das war kein Foul. Können wir jetzt endlich weiterspielen?»
    «Der Suchanek kann nicht einmal atmen! Wie soll der weiterspielen?»
    «Dann müsst ihr halt tauschen.»
    «Wir haben aber niemanden zum Tauschen, du Volltrottel!», brüllte Grasel.
    Na ja. Was blieb dem Neuner-Ranreiter jetzt noch groß übrig? Er tat, was jeder Schiedsrichter mit Selbstachtung in dieser Situation getan hätte: Er griff in die Brusttasche seines karierten Hemds – bezüglich des Schiedsrichterdresses hätte die FIFA der Neid gefressen – und zeigte dem Grasel die Rote Karte. Gut, die große Geste, mit der er das tat, diese ausladende Bewegung und der bis zum Anschlag gen Himmel ausgestreckte Arm, das vorspringende Kinn, das hätte er sich vielleicht alles sparen können. Denn das bewegte wiederum den Grasel dazu, ihm in durchaus begreiflicher Gemütserregung die Karte zu entwinden und zu zerreißen. Und dann traten die Ledigen unter dem empörten Gejohle der Zuschauer ab.

[zur Inhaltsübersicht]
11
    «Das war praktisch ein Geständnis, oder?» Grasel war immer noch völlig außer sich über die Attacke vom Pfarrhofer. «Also, ihr könnt sagen, was ihr wollt, aber für mich war das ein Geständnis.»
    Suchanek versuchte, tief einzuatmen, weil er das jetzt doch schon länger nicht mehr getan hatte. Ein heftiges Stechen rechts im Brustkorb verhinderte es. Und beim Ausatmen von dem bisschen Luft, das er gerade noch so irgendwie in seine Lungen hineingezwungen hatte, pfiff er.
    «Du pfeifst», sagte Susi. «Machst du das absichtlich?»
    «Nein. Absichtlich kann ich gar nicht pfeifen.»
    «Hört sich an wie der Blasebalg von der Kirchenorgel. Aber in dem waren auch die Mäuse.»
    «Ich bin in den letzten Jahren ziemlich viel bewegungslos in meiner Wohnung gelegen», pfiff Suchanek. «Wahrscheinlich waren in mir auch die Mäuse.»
    «Du solltest ins Spital», sagte Grasel. «Wenn du eine Rippe gebrochen hast und die bohrt sich in die Lunge, dann pfeift das auch. Glaub ich.»
    «Ich geh sicher nicht ins Spital. Da ist nichts durchbohrt.»
    «Ich weiß nicht, was ihr Männer immer habt mit eurem ‹Bloß nicht zum Arzt gehen!›.» Susi schüttelte genervt den Kopf. «Wenn nichts ist, dann umso besser. Dann hast du wenigstens die Gewissheit. Der Grasel fahrt dich rüber nach Gantersburg, die machen ein Röntgen und fertig. Und während du wartest, kannst du ein paar Schwestern auf den Hintern schauen.»
    «Ja. Zum Beispiel meiner.»
    «Ach so, richtig. Die arbeitet ja da drüben! Na, umso besser. Dann hast du Protektion auch noch.»
    «Ehrlich, ich hab nichts. Es war nur der erste Schock, wie ich keine Luft gekriegt hab. Aber jetzt ist es eh schon viel besser.»
    «Dann lass ihn halt, Susi», sagte Grasel. «Ich geb ihm nachher was gegen die Schmerzen. Ich hab da so ein altes Hausmittel.»
    «Na geh, Suchanek», sagte Susi. «Du kommst aber hoffentlich nicht vollkommen zugekifft zu mir zum Essen. Dann redest du ja gar nichts mehr.»
    Suchanek schüttelte betrübt den Kopf. «Irgendwie scheint das nicht mehr zu funktionieren. Vorgestern Nacht beim Feuer war ich beinander wie der gläubigste aller Rastas. Und hab ich deshalb vielleicht meine blöde Goschen gehalten? Aber woher denn! Was ich mir alles erspart hätte.»
    Grasel öffnete die Zeltplane beim Eingang einen Spalt und schaute misstrauisch hinaus. «Also, was meint ihr jetzt? Der Pfarrhofer, ha?»
    «Glaubst du ernsthaft, der würde den Suchanek vor so vielen Zeugen umbringen, weil er es letzte Nacht nicht geschafft hat?», sagte

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