Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
Vom Netzwerk:
sie vielleicht sogar selber die Mörderin ist und dich nur benützt?»
    Da hatte der Grasel leider schon wieder recht. Was wussten sie denn schon groß von der Lengauerin? Wer sagte, dass sie ihr trauen konnten?
    «Die Susi könnte das noch am ehesten beurteilen …», sinnierte Suchanek.
    Es klopfte ein letztes Mal. Dann blieb es still. Patrick Jenewein würde es doch zu nichts bringen.
    «Na, dann ruf sie doch an.»
    Uh. Die Susi anrufen? Nach gestern Abend? Das ging jetzt irgendwie nicht. «Nein. Nein, wir ziehen das jetzt durch. Wir brauchen nur einen Plan, wie wir uns an den Kurtl ranschmeißen können, damit der Schein dann wieder bei ihm landet, ohne dass wir uns irgendwie verdächtig machen.»
    Grasel trank seine Tasse in einem Zug aus und knallte sie auf den Tisch. «Also gut. Dann gehen wir.»
    «So schnell muss es jetzt aber auch wieder nicht sein, oder?»
    «Doch. Wenn, dann gleich. Weil, in zwanzig Minuten fängt die Feldmesse an. Da sind jede Menge Leute. Eine hervorragende Gelegenheit.»
    «Aber … kann ich nicht zumindest noch duschen?»
    «Keine Zeit. Nimm einfach mehr Deo.»
    Sie gingen ins Schlafzimmer und sammelten ihre Klamotten ein. Die Burli-Urli schnarchte immer noch leise vor sich hin. Grasel schaute verzweifelt.
    «Was ist uns da nur eingefallen?»
    «Sollen wir sie aufwecken?»
    «Bist du irre?», stieß Grasel entsetzt hervor. «Wir verschwinden jetzt und hoffen, dass wir sie nie wieder treffen.»
    «Na ja … Ich bin ja heute Abend eine Staubwolke. Aber bei dir könnte das noch so vierzig, fünfzig Jahre dauern.»
    «Wolltest du nicht ohnehin in Wien mit mir zusammenziehen? Ich bring auch ganz viel Gras mit.»
    «Oh, Moment einmal! Kann ihr das eigentlich in die Hände fallen? Ist es gut genug versteckt?»
    Grasel wies auf seine Halskette. An ihr hing ein Schlüssel.
    «Im Keller. Eingesperrt.»
    «Gut. Dann können wir ja beruhigt gehen.»
    Als sie die Tür leise hinter sich zugezogen hatten und also in Sicherheit waren, zog Grasel Suchanek, der vorausgehen wollte, noch einmal am Ellbogen zurück.
    «Ich möchte wegen letzter Nacht nur noch eines klarstellen», sagte er ernst. «Das war alles nur wegen dem beschissenen Wodka.»
    «Ja, klar. Glaubst du, ich würde mit der Urli ins Bett springen, wenn ich nüchtern wäre?»
    «Ich meine jetzt das andere.»
    «Welches andere?»
    «Ich bin normalerweise überhaupt nicht bi.»

[zur Inhaltsübersicht]
16
    Also, wenn man jetzt einmal ganz ehrlich war: Ein Volksfest hatte ja bald wer. So viel gehörte nun auch wieder nicht dazu, ein Autodrom, ein paar Schießbuden, ein Bierzelt und Alleinunterhalter Kurt zu organisieren. Besonders Letzteres war in Wirklichkeit ziemlich leicht. Und selbst die Wulzendorfer hätten in einer stillen Stunde und ohne Zeugen zumindest mehrheitlich eingeräumt, dass das wohl sogar die Bernhardsäue zusammenbrächten.
    Aber da gab es ja noch die Besonderheit.
    Jene Besonderheit, die eben nicht so schnell jemand vorweisen konnte und die das Fundament für das Wulzendorfer Volksfest bildete. Die die Begründung seiner großen Tradition überhaupt erst möglich gemacht hatte. Wulzendorf verdankte die Besonderheit, nebst so manchem Trauma, das die Generation 30 plus von ihm mitbekommen hatte, weil es in seiner Ära halt schon noch Brauch gewesen war, das Glaubensbekenntnis beim Erstkommunionsunterricht mit ein paar wohlplatzierten Verkehrten zu festigen, dem legendären Dechant Czurka.
    Der Dechant hatte sich als junger Mann beim Ungarnaufstand 1956 in buchstäblich letzter Sekunde über die Grenze retten können. Und die Schlussfolgerung, die er aus diesem schlimmen Erlebnis und dem anschließenden Kennenlernen seiner neuen Heimat gewonnen hatte, sollte seine gesamte seelsorgerische Tätigkeit prägen. Sie lautete:
    Den Leuten hier geht es viel zu gut.
    Und das war auch der Grund, warum der durchschnittliche spanische Inquisitor rückblickend neben Dechant Czurka zum Befreiungstheologen verkümmerte. Und wenn nicht die Methoden von damals in dieser verweichlichten Zeit, in die der Dechant unglücklicherweise hineingeboren worden war, weil ihn der Himmel halt hatte prüfen wollen, schon ein wenig aus der Mode geraten wären, Dechant Czurka hätte weiß Gott nicht gezögert, sie zum Einsatz zu bringen.
    Gerade diese Entschlossenheit, diese betörende Kombination aus Spiritualität und Brutalität hatte ja, nebst dem bis zum Kinn hinabgezogenen, buschigen Schnurrbart eines Husaren aus dem «Zigeunerbaron» und überhaupt

Weitere Kostenlose Bücher