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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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vermutlich kein Tropfen Weihwasser den Boden benetzen würde. Altgediente, die so gut wie keine der bisherigen Wulzendorfer Autowallfahrten versäumt hatten, meinten sogar, so viele seien es überhaupt noch nie gewesen.
    Da spielte natürlich wieder mit, dass Wulzendorf nunmehr so eine Art Promi des Grauens war, also quasi der Dieter Bohlen unter den Kuhdörfern. Der Spakowitsch hatte es ja gewusst. Und er stand auch jetzt, wo die Volksfest-Kassa schon prall gefüllt war, völlig entspannt in der ersten Reihe dieser gottgefälligen Aufstellung für den Le-Mans-Start, der erfolgen würde, sowie die Formalitäten endlich erledigt waren.
    Das Einzige, das Dechant Czurka wahrscheinlich nicht so goutiert hätte, stand gleich neben dem Feldaltar, den der junge Zwölfer-Leitner, der ein bisschen ein schlechtes Gewissen hatte, weil er nicht mehr die Kirchturmuhr aufziehen musste, und deshalb als eine Art Teilzeit-Mesner bei wichtigen Anlässen aushalf – und es machte ihm dabei auch meistens nichts aus, dass ihn die anderen, wenn das Bier wieder einmal gar so gut schmeckte, damit aufzogen, dass er der einzige Weiße sei, der jemals der Sklave von einem Schwarzen gewesen ist –, den also der Zwölfer neben den üblichen Versatzstücken der Altarschmückung wie Kerzenständern und Blumen, auch originell mit zwei schwarz-weiß karierten Zielflaggen dekoriert hatte.
    Aber nein. Nicht den Pater Akwuegbu hätte der Dechant Czurka nicht goutiert. Obwohl er, wenn er noch ein denkender Dechant gewesen wäre und nicht Gemüse, sich schon so seine Gedanken gemacht hätte über diese schleichende Kolonisierung der europäischen Mutterkirche. Und angesichts dieser Gedanken hätte bei den liberalen Weicheiern in der Diözese sicherlich so manche Mitra empört gezittert.
    Die Gerstmeierin. Die hätte ihm nicht so gefallen. Weil sie halt nun einmal nicht die heilige Johanna war. Und weil vor gerade einmal zwei Tagen die Johanna zum Herrn heimgegangen war, und noch nicht einmal begraben war sie, sondern in der Gerichtsmedizin. Und da stand schon die Gerstmeierin breithüftig an ihrer Stelle an der Spitze der Legionärinnen und sang die lauteste erste Stimme bei «Gro-ßer Go-hott wir lo-ho-ho-ben dich!».
    «Ob Gott wirklich so einen lausigen Musikgeschmack hat?», fragte Grasel, völlig außer Acht lassend, dass man mit seinen Ten Years After sogar die Hoffnung auf das Fegefeuer gleich wieder begraben konnte.
    «Es könnte immer noch schlimmer sein», sagte Suchanek. «Eine Jazzmesse. Mit Jungschar-Wandergitarren-Big-Band.»
    Grasel überlegte kurz, nahm dann Haltung an und schmetterte ostentativ geläutert: «Gro-ßer Go-hott wir lo-ho-ho-ben dich!»
    Suchanek und er lungerten mit ihren vor zehn Jahren cool gewesenen Sonnenbrillen bei der Grabenbrücke herum wie zwei bockige Teenager, die von ihren Eltern gezwungen worden waren, zur Messe zu gehen, sich nicht getraut hatten, nein zu sagen, jetzt aber, wo es die Mama nicht sehen konnte, voll die Revoluzzer heraushängen ließen. Natürlich hatte bei der Wahl dieses Standortes auch der Sicherheitsaspekt eine Rolle gespielt: Hier befanden sie sich deutlich außerhalb der Spritzweite des Weihwasserwedels. Noch wichtiger war aber natürlich, dass sie die Menschenmenge so einigermaßen gut überblicken konnten. Aber der Heimeder-Kurtl war nirgends zu sehen.
    Drüben war es jetzt Zeit für die Predigt. Eine ordentliche Verstärkeranlage hatte sich natürlich wieder einmal keiner leisten wollen, also benützte Pater Akwuegbu das Megaphon, das gestern schon bei der Auffindung vom Willi hervorragende Dienste geleistet hatte.
    «Liebe Gemeinde!», hob der Pater in einem an Stimmbruch erinnernden Singsang an. «Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.»
    «Wie originell!», stöhnte Grasel. «Also, dafür hätte er nicht aus Afrika kommen müssen.»
    «Auch wenn ich wandere im Tal des Todesschattens, fürchte ich kein Unheil, denn du bist bei mir. Dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich.»
    Das gefiel dem Grasel wiederum. Denn die Kirche kam ja auf seiner persönlichen Hitliste gleich nach der Polizei.
    «Dein Stecken und dein Stab? Und damit tröstet er? Also, mit dem Text kann man auch in gewissen Internet-Chatrooms ordentlich Meter machen!»
    «Grasel, bitte! Jetzt ist wirklich nicht der Zeitpunkt für Kirchenkritik. Könnten wir uns bitte darauf konzentrieren, dass wir den Kurtl finden?»
    «Moment! Da beschleicht mich ein furchtbarer Verdacht! Sind diese ganzen Nationalisten

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