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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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Poldi, dessen Kopf von den vielen schrecklichen Gedanken, die ihn nunmehr heimsuchten, noch enormer geworden zu sein schien. Seine Arme hingen schlaff herab, und er schwitzte sich in nicht endenden Strömen seine ganze Verzweiflung heraus.
    «Poldi! Jetzt erzähl doch einmal, wie das genau passiert ist», sagte Suchanek durchaus mitleidig.
    Der dicke Gärtner-Bub schaute ihn wie durch einen fernen Astralnebel hindurch waidwund an. «Der Bertl hat gesagt, dass er sich vor der Messe noch einen Sommerspritzer holen will, weil es so heiß ist», sagte er schwach. «Und dann ist er nicht mehr wiedergekommen.»
    «Er war also noch im Bierzelt?»
    «Er hat gesagt, er geht hin. Ob er wirklich drin war, weiß ich nicht.»
    «Ich geh mal fragen», sagte Grasel forsch und machte sich sofort auf den Weg. Suchanek sah ihm nach und dachte: Eigentlich wäre aus dem ein guter Bulle geworden. Wenn er mir das nächste Mal auf die Nerven geht, muss ich ihm das unbedingt sagen.
    «War sonst noch irgendwas, Poldi? Ist dir irgendwas aufgefallen?»
    «Was soll mir aufgefallen sein?»
    «Hat er sonst noch irgendwas gesagt?»
    «Nein.»
    «Hat er vorher mit wem geredet? Oder ist wer mit ihm gegangen? Oder ihm nach?»
    «Geredet, geredet. Sicher hat er mit wem geredet. Wenn man da herumsteht und darauf wartet, dass die Autoweihe anfängt, dann redet man halt.»
    «Sie lassen mir leider keine andere Wahl», brüllte jetzt der Inspektor gegen die sich Bahn brechende Revolution an. «Zur Abwehr unmittelbarer Gefahren für die öffentliche Sicherheit untersage ich hiermit polizeilich das Tragen jeglicher Waffen. Zuwiderhandeln wird massiv bestraft! Seien Sie vernünftig! Überlassen Sie das der Polizei!»
    «Gfüllter!», schrie der Siebzehner, der jetzt, wo er Wimmer doch schon etwas besser kannte, dem Kommissar nicht nur das Du-Wort schenkte – wiewohl der vermutlich doch der Ältere war, aber auf so hohle, sinnentleerte Konventionen wie zum Beispiel auch nur rudimentäre Höflichkeit hatte Stratzner noch nie viel gegeben –, sondern gleich auch einen liebevollen Spitznamen. «Gfüllter! In der Zeit, in der du da jetzt blöd herumredest und freie Bürger drangsalierst, könntest du schon längst den kleinen Gärtner suchen! Du willst uns verhaften, wenn wir uns selbst verteidigen? Und den Mörder lässt du weiter herumrennen? Das schau ich mir aber an erste Reihe fußfrei!»
    «Mit seinem Telefon hat er herumgetan», sagte Poldi plötzlich.
    Suchanek wurde hellhörig. «Was heißt herumgetan? Hat ihn wer angerufen?»
    «Nein, ich glaube nicht. Telefonieren hab ich ihn nicht gesehen. Herumgetan halt. Ich weiß auch nicht, vielleicht wollte er ja nur nachschauen, wie Barcelona gestern gespielt hat.»
    «Hat er vielleicht eine SMS gelesen? Oder ein Mail?»
    «Weiß ich nicht. Aber, wenn ich so nachdenke, hat es danach am ehesten ausgeschaut.»
    Grasel kam im Laufschritt zurück. «Die Mädeln im Bierzelt sagen, bei ihnen war er nicht.»
    Suchanek legte den Kopf schief. Wenn sich der Bertl seinen Spritzer, den er angeblich hatte haben wollen, nicht geholt hatte, dann gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder, der Mörder hatte ihn auf dem kurzen Weg zum Bierzelt abgepasst und weggelockt. Mit Gewalt konnte er das aber nicht gemacht haben, das wäre ja wohl irgendwem aufgefallen.
    Und die andere Möglichkeit war: Der Bertl hatte in Wirklichkeit überhaupt nie zum Bierzelt gewollt. Und er hatte seinen Bruder angelogen, weil er … Ja. Weil er was?
    «Poldi? War der Bertl irgendwie komisch in letzter Zeit?»
    ORF   1 schüttelte den Kopf. «Nicht mehr als sonst.»
    Nicht mehr als sonst. Was für eine Antwort.
    «Ruhiger ist er vielleicht gewesen.»
    «Was meinst du mit ruhiger?»
    «Na ja, ich weiß auch nicht. Er war schon länger nicht mehr so. Ich glaube, er war unglücklich, weil ihm der Vater gesagt hat, dass er jetzt bald einmal ausziehen muss. Der ältere Bruder bleibt auf der Wirtschaft, und der andere muss halt gehen. Das war schon immer so. Er hat mir eh leidgetan. Aber was soll ich machen?»
    «Glaubst du, er hat sich am Ende selber …?», fragte jetzt Grasel in einer eindrucksvollen Demonstration seiner grenzenlosen Feinfühligkeit. Suchanek verdrehte die Augen.
    «Was?», sagte Grasel ungerührt. «In einer Situation wie jetzt muss man doch wohl so was fragen dürfen. Schlimmer kann es eh nicht mehr werden.»
    Suchanek legte dem jungen Dreizehner die Hand auf die Schulter. «Habt ihr über die Morde geredet?»
    «Na sicher. Wer redet

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