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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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niederschmetternde Beurteilung durch das Bull-o-Meter zu verarbeiten hatten, waren sie ziemlich unglücklich.
    Wegen dem Gärtner Bertl auch, ja. Der war ja nun wirklich ein herausragender Beweis dafür, wie ungerecht man von Gott oder vom Schicksal oder woran man halt glaubte behandelt werden konnte. Da musste ORF   2 so einen abstrus unförmigen Schädel durch sein Leben tragen – und dann war dieses auch schon wieder vorbei. Wobei es ja eine Restchance gab, dass er noch gar nicht tot war. Der Grasel schätzte sie auf 20  Prozent, Suchanek sogar auf mehr. Aber abgesehen von dieser traurigen neuen Entwicklung fuchste es sie natürlich unendlich, dass sie gedacht hatten, den Heimeder mit ihrem denkwürdigen Auftritt mit dem Führerschein überführt zu haben. Und danach sah es ja nun nicht mehr so stark aus.
    «Ich glaub ja immer noch, dass er es war», bestand der Grasel trotzig auf ihrem viel zu kurz ausgekosteten Erfolg, den sie noch dazu mit niemandem hatten teilen können. Dafür wäre ja nur die Lengauer Milli in Frage gekommen, und die hatte es sich verkniffen, zur Autoweihe zu kommen, weil der Herrgott sicher nicht begeistert gewesen wäre, wenn sie der Neuholdin während des Schuldbekenntnisses ihr sündteures Bettelarmband gemopst hätte.
    Natürlich bestand weiterhin die Möglichkeit, dass es der Kurtl gewesen war. Immerhin hatten sie ihn während der Messe in der Menge lange nicht finden können, und so gesehen hätte er vielleicht schon die Zeit gehabt, den Bertl verschwinden zu lassen. Andererseits war er sofort in die Offensive gegangen, hatte einen gar nicht einmal unplausiblen Grund genannt, warum er Willis Führerschein hatte. Und auch gleich einen Zeugen. Und dass Kommissar Wimmer nicht wirklich daran glaubte, dass der Kurtl der Mörder war, zeigte sich auch daran, dass er aus Bernhardsau, wohin man den Kurtl gebracht hatte, um ihn zu verhören, gleich wieder zurückgekommen war, nachdem er erfahren hatte, dass der ORF   2 abgängig war. Und es hatte durchaus sein Gutes, dass der Wimmer hier war. Er würde nämlich nicht schlecht daran tun, den Siebzehner irgendwie einzubremsen. Denn der lief gerade zur Form seines Lebens auf.
    «Wir müssen uns wehren», donnerte er. «Die Polizei ist ja heutzutage zu nichts anderem mehr fähig, als von uns Autofahrern abzukassieren. Wo wir doch eh schon die Melkkühe der Nation sind. Oder sie kriminalisiert friedliche Besitzer von gut abgerichteten Schutzhunden! Aber sie ist offensichtlich nicht dazu imstande, uns ehrliche und anständige Bürger zu schützen! Also müssen wir das jetzt selbst in die Hand nehmen! Die Jäger unter euch gehen jetzt am besten geschwind nach Hause und holen ihre Gewehre. Und dann bilden wir Suchtrupps! Vielleicht können wir den Gärtner Bertl ja noch retten und die Bestie zur Strecke bringen!»
    Der tosende Jubel, in dem der Siebzehner jetzt baden durfte, war sicherlich der stärkste, den Wulzendorf erlebt hatte, seit der Hansi-Burli im denkwürdigen Derby gegen die Bernhardsäue im 84 er-Jahr in der letzten Minute zwar nicht das Siegestor geschossen, aber wenigstens dem gegnerischen Tormann, der eben das verhindert hatte, den Kiefer gebrochen und sechs Zähne gezogen hatte. Aber jetzt war es natürlich so: Wenn es etwas gab, das für die öffentliche Sicherheit in Wulzendorf potenziell noch um Eckhäuser gefährlicher war als ein Mörder, der sich jetzt schon sein drittes Opfer geholt hatte, dann dreißig hochmotivierte Niederwildniedermetzler, die mit ins Bedenkliche erhöhtem Blutdruck und Flinte im Anschlag durch Dorf und Flur marschierten. Man konnte sie ja schon im Normalfall nur mit Mühe und der Aussicht auf garantiert keine mildernden Umstände davon abhalten, der Strecke eines erfrischenden herbstlichen Jagdmorgens zwecks Abrundung des Gesamtbildes noch ein paar Treiber hinzuzufügen. Wenn sie jetzt auch noch quasi moralisch verpflichtet waren, zuerst zu schießen und dann zu fragen, weil: Bestie!, dann konnte man nur mehr sagen: Halaliluja.
    Eine solche Hilfssherifftruppe war genau das, was Kommissar Wimmer zu seinem Glück noch brauchte. So schnell es ihm mit den massiven römischen Säulen, die er anstelle menschlicher Beine hatte, halt möglich war, stürmte er hinter den Altar und entwand dem Siebzehner das Megaphon, um seinerseits eine begeisternde Rede zu halten.
    «Sehr geehrte Wulzendorferinnen und Wulzendorfer!»
    Um da erst gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, antwortete die Zwölfer-Leitnerin

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