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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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Kuchen nur mehr ein paar Krümel übrig waren. Und zweitens war er ein Biobauer. Also gar kein richtiger. Das hätte es auf der Hauptstraße nicht gegeben.
    Wenn dort einer auf so eine blöde Idee gekommen wäre, dann hätte man ihm ja glatt die Nummer entziehen müssen. Nicht auf dem Papier, weil dort musste ja leider ein jeder eine Hausnummer haben, ob er sie nun verdiente oder nicht. Aber man konnte bei einem Biobauern ja locker die Nummer aus dem Namen streichen, wenn sie das beim österreichischen Adel mit dem «von» auch gemacht hatten. Für einen Weltkrieg. Also wegen wesentlich weniger.
    Die Lage von Palenaks Hof hatte für alle Betroffenen Vorteile. Vor allem einmal schien die Gefahr, dass er irgendeinen Schaden anrichtete, dort hinten einigermaßen beherrschbar. Normalsterbliche ahnten ja gar nicht, wie viel Schaden zum Beispiel allein die Kontamination ordentlich chemisch gepflegten Pflanzenguts durch fahrlässig naturbelassenes anrichten konnte. Draußen am Feld war es ja dann eh nicht zu verhindern, dass da wild durcheinanderbestäubt und verunreinigt wurde, denn trotz jahrzehntelanger gemeinsamer Kraftanstrengung von agrarchemischer Internationale und Bauernschaft sollte es da draußen angeblich immer noch ein paar Bienen und Zeugs geben. Aber wenigstens im Dorf konnte man ja versuchen, sein Saatgut zu schützen, so gut es eben ging.
    Wenn man eine gerade Linie vom Palenak über die Kläranlage hinaus zog, kam dann noch dazu gleich auf der anderen Seite der Haindorfer Straße der Friedhof. Das war auch gut, weil die dort hatten sowieso nichts mehr zu befürchten. Für den Palenak wiederum bedeutete sein Wohnort, dass er seine heilige Ruhe hatte. Und tun und lassen konnte, was er wollte.
    Was wollte er denn?
    Grasel sah Suchanek an. Suchanek sah Grasel an.
    «Rock ’n’ Roll?», fragte Grasel.
    Gleich neben der Kläranlage führte die zweite und damit letzte Wulzendorfer Brücke über den Graben, der spätestens hier, wenn es nicht ohnehin schon vorher passiert wäre, seine limnologische Unschuld endgültig verloren hätte. Man musste die Positionierung dieses Bauwerks verkehrsleittechnisch doch etwas kritisch sehen: Vermutlich war die Anzahl der motorisierten Überquerungen seit ihrem Bestehen immer noch einstellig, denn auf der anderen Seite war nur die andere Seite der Kläranlage. Dorthin wollte schon zu Fuß keiner. Die Brücke war mit zwei halbhohen Mauern eingefasst, die wohl auch den Gerstmeier Jürgen ausgehalten hätten. Und für Suchanek und Grasel hatten sie momentan den bestechenden Vorteil, absolut blickdicht zu sein.
    «Das Auto von der Gerstmeierin steht im Hof», meldete Grasel, der vorsichtig um die Ecke spähte.
    «Siehst du sonst noch was?»
    «Nein, nicht wirklich. Ich seh von hier aus auch nicht richtig hinein. Zu schräger Winkel. Wir müssten näher hin.»
    «Gibt’s da noch irgendeine Deckung?»
    «Nein. Wenn wir weitergehen, dann stehen wir im Freien. Aber was soll’s?»
    Irgendwie beschlichen Suchanek jetzt doch leise Zweifel bezüglich der Sinnhaftigkeit ihres Vorgehens. «Aber, was erwarten wir uns eigentlich? Dass der Bertl da im Hof auf einem Baum hängt? Ich meine, selbst wenn er hier ist, ist er irgendwo …»
    «… zusammengerollt.»
    Gut. Sollte sein. Zusammengerollt.
    «Ich will aber wissen, was der Palenak und die Gerstmeierin miteinander zu schaffen haben», insistierte Grasel. «Gestern warst du ja auch in ihrem Vorgarten.»
    «Ja, aber jetzt schon wieder so eine Kommandoaktion … Warum läuten wir nicht einfach an?»
    «Was? Und dann? Dann setze ich mein gewinnendstes Lächeln auf, und du sagst: ‹’n Tag. Wir wären wegen dem Bertl hier.›?»
    «Ich weiß auch nicht. Unter irgendeinem Vorwand.»
    «Wir sammeln für die Armen? In der Art?»
    Suchanek antwortete nicht und bedeutete Grasel, er solle auch ruhig sein. Dann lauschte er angestrengt.
    Ja. Da war etwas. Von links hinten näherte sich etwas. Suchanek identifizierte das Stampfen und Grummeln, das zuerst noch leise hinter der Friedhofsmauer aufgekeimt war und jetzt immer lauter wurde, aufgrund seines ausgeprägten Fachwissens über das Böse als solches auch sofort richtig.
    Aber das konnte doch nicht sein. Das war unmöglich. Er schaute Grasel verständnislos an. Der verstand wiederum nicht, warum Suchanek verständnislos schaute.
    «Was ist denn?»
    Suchanek drehte sich wieder um. Da war jetzt auch eine Rauchfahne über dem Beinhaus des Friedhofs. Sie bewegte sich. Ja, sie kam eindeutig näher.

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