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Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gustav Buesching
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alljährig ein Fest gefeiert, das Fest des süßen Breies, indem armen Leuten am Grünendonnerstage in der Charwoche eine Gastung angerichtet ward. Zu dieser Mahlzeit versammelten sich, aus aller umliegenden Nachbarschaft, eine solche Menge der Armen, daß alsdann in dem Neuhauser Schloß zum wenigsten sieben tausend, ja zuweilen auch neun bis zehn tausend armer Gäste gezählt wurden. Es setzten sich je zwölfe beisammen auf die Erde, auf den weit geraumen Schloßplätzen von Neuhaus, und damit keine Unordnung noch Unruhe entstehe, zählte man die Tische und wurden, bei jedem, besondere Aufwärter gestellt, welche zu Tische dienen, die Speisen auftragen, Trinken bringen und einschenken mußten. Solche Aufwartung bestand nicht in gemeinen Leuten, sondern in lauter Befehlshabern und Beamten, als da sind: Amtmänner, Hauptleute, Burggrafen, Schreiber, und fast allerlei Beamten oder Verwalter, deren es unzählig viele gab, ingleichen die Rathsherrn und andere ansehnliche Bürger der Stadt. Gemeiniglich ging selbst der Gubernator und Herr des Orts mit etlichen vornehmen Gästen vor dem Gepränge der Gerichte her, trug die erste Schüssel zu, und ward ihm von einem starken Haufen solcher Tafeldiener nachgefolgt.
    Weil es aber nicht wohl möglich, daß eine so große Menge Volks an einem Orte und auf eine Zeit zugleich essen kann, läßt man auf einmal der Gäste nicht mehr ein, als der Raum des Platzes verstattet. Wenn dieselben gesättigt, läßt man sie, durch das Hintertheil des Schlosses, hinaus, und führt hingegen andere wieder herein, bis alle vorhandenen Armen gespeiset waren und keiner mehr übrig, welcher die Mahlzeit nicht genossen hätte.
    Die Speisen aber, so man ihnen vorsetzte, waren diese: erstlich ward ein dreipfündig Brod aufgelegt; hernach eine Suppe von Bier, oder andere Brühe, aufgesetzt, die gar fett und wohl mit Butter geschmalzet war; demnächst zweierlei Speisen von Karpfen (das heißt, Karpfen zwiefach zugerichtet) und endlich der sogenannte süße Brei, derselbe war aus Erbsen, Buchweitzen oder sonst andern Früchten gekocht. Vor Alters pflegte man ein wenig Honig hinein zu thun, daher der Name des süßen Breies. Dünnbier gab man ihnen, so viel sie verlangten, und zuletzt jedem auch sieben Prätzeln von Semmelmehl. Die meisten Gäste, besonders die Armen, nehmen mit sich nach Hause, was sie können und bringen darum zween Hafen mit sich, in den einen werfen sie zwei Theile von den Karpfen, unangesehen, daß dieselben in der Würze und Zurichtung unterschieden sind, in den andern schütten sie das Bier. Alles andere, so sich nicht theilen läßt, als die Suppe, das Eingeweide und den Brei, verzehren sie zusammen gemeinschaftlich.
    Diese milde Handlung soll oftmals die Tonnen von etlichen Brauungen, so wie ganze Fischteiche geleert haben. Urkunden und Dokumente schwiegen schon früh, zur Zeit des Jesuiten Balbinus, über den Ursprung dieser frommen Sitte, die sich alljährig vom Vater zum Sohne, vom Vorgänger auf den Nachfolger vererbte. Alte hundertjährige Greise, mit weißen Scheiteln, damals befragt, erzählten, ihre Vorfahren hätten ihnen über die Entstehung des Festes folgendes erzählt und alle stimmten gleichlautend, wie die Sage stäts fortschreitet, überein: es wäre ehedem eine fürnehme Matrone, hohes Stammes, gewesen, der man die Vormundschaft über die verwaisten jungen Herren von Neuhaus vertraut hätte. Diese habe man, da sie, als eine Wittwe, in Wittwenkleidung gegangen, die weiße Frau genannt und sei es eben dieselbe, welche, so wie die Vorfahren gleichfalls angezeigt, bisweilen im Schlosse erscheine.
    Sie habe angefangen, das Neuhausische Schloß zu bauen und viele Jahre über solchem Werke zugebracht, mit großer Beschwerung aller Unterthanen, so sie bei Grabung und Aufführung der Walle, Aufrichtung der Thürme, Zuführung des Kalks, Sandes, der Steine und anderer Materialien, bis zur gänzlichen Vollendung solches weitläuftigen und großen Schloßgebäudes, ausgestanden. Dabei sie doch gleichwohl solchen frohnenden Arbeitern freundlich zugesprochen, mit Vertröstung, diese Arbeit und Frohndienste würden schon mit ehesten zu Ende gehen. Auch habe sie jedweden seinen Tag- oder Arbeitslohn mit baarem Gelde bezahlt und ihnen zugerufen: »arbeitet für eure Herren, ihr getreuen Unterthanen, arbeitet! Wann wir das Schloß werden verfertigt haben, will ich euch und allen euren Leuten einen süßen Brei geben.« Denn diese Art zu reden führten die Alten, wenn sie jemand

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