Volkssagen, Maerchen Und Legenden
zur Mahlzeit luden.
Nachdem endlich das Schloß in völligem Stande und vollendet, welches, nach Aussage dieser befragten Alten, im Herbst geschehen, hat die Frau, ihres Versprechens eingedenk, allen Unterthanen ein herrliches Mahl zugerichtet und unter währender Mahlzeit zu ihnen gesagt: »zu stätem Gedächtniß eurer That gegen eure liebe Herrschaft sollt ihr jährlich eine solche Mahlzeit haben. Also wird das Lob eures Verhaltens auf die späten Nachkommen fortgrünen.«
Nachmals aber, – sagten diese guten ehrlichen Grauköpfe, – hätten die Herren für füglicher angesehen, daß man diese Mahlzeit, aus dem Herbste, auf den Tag und das Gedächtniß des heiligen Abendmahls verlegte, als an welchem ohnedem die Armen von reichen und vornehmen Christen bewirthet würden. Und solche Veränderung des Tages wäre eben so überalt noch nicht, ja sie erstrecke sich noch kaum über hundert Jahre. Das war es, was die hochbetagten Graubärte davon aussagten.
In dem alten Schlosse Neuschloß ward auch die weiße Frau geschaut und hing daselbst die wahre Gestalt dieser verstorbenen, jetzt aber um das Schloß herumwandernden weißen Frau, auf einer an der Wand hängenden Tafel gemahlt. Das wüste Schloß Tollenstein, von welchem das Gerücht geht, als ob viele Schätze darin verborgen liegen, hat gleichfalls die weiße Frau zur Einwohnerin oder Besucherin. Sie schaut unterweilen zum Fenster herab, darüber sich alsdann die Wandersleute verwundern und sie grüßen.
Wann sie erscheint, so läßt sie in ihrem Angesichte nichts als lauter sittsame Bescheidenheit, Zucht, Schamhaftigkeit und Gottseligkeit erscheinen. Doch hat man auch wohl gesehen, daß sie zornig worden und ein finsteres Gesicht gemacht hat, wider diejenigen, welche wider Gott oder den Gottesdienst eine lästerliche Rede ausgeschüttet; ja, daß sie dieselben auch wohl mit Steinen und allem, was ihr in die Hand gekommen, verfolgt hat. Wozu noch kommt ihre große Liebe zu den Armen und Dürftigen. Die Entstehung des süßen Breies, wie wir gesehen, ist ihr Werk, weswegen sie dann, wofern entweder der bösen Zeiten, oder feindlicher Gefahr oder anderer Ursachen halber, die Gabe an die Armen unterlassen wird, sich so unruhig, so übelvergnügt, ja ganz rasend und wütig erzeigt, daß sie ganz unerträglich wird und sich nicht eher zur Ruhe giebt, als bis den Armen die gewöhnliche Barmherzigkeit, daß sie gespeist werden, widerfährt. Alsdann sieht man sie erst wieder fröhlich und munter und niemanden überlästig, noch beschwerlich.
Man sagt, daß, als die Schweden im dreißigjährigen Kriege, nach Einnehmung dieses Schlosses und der Stadt, den Armen diese Mahlzeit auszurichten entweder vergessen, oder vorsatzlich unterlassen, sie, die weiße Frau, einen solchen Tumult und ein solches Getümmel erregt, und dergestalt getobt habe, daß die Leute im Schlosse schier darüber hätten verzweifeln mögen. Es ward die Soldatenwacht verjagt, geschlagen und von einer geheimen Gewalt zu Boden gestürzt. Es begegneten solchen Schildwachten mancherlei seltsame Gestalten und wunderblasse Gesichter. Die Offiziere selbst wurden, bei Nacht, aus den Betten und auf der Erde herumgezogen. Da man nun ganz keinen Rath wußte, diesem Uebel zu steuern, sagte einer von den Bürgern aus Telzin dem Schwedischen Kommandanten, es sei den Armen die jährliche Mahlzeit nicht gereicht worden und rieth ihm, er solle solche alsofort, nach der Vorfahren Weise, geben lassen. Nachdem solches geschehen, hat man im Schlosse alsofort Ruhe bekommen und ist alles überall von Gespenstern so stille geworden, daß allerdings auch die Winde zur Ruhe gelegt schienen.
30. Die Jungfrau auf dem Schloß Parenstein in Mähren.
Auf dem Schloß Parenstein in Mähren ist vor Zeiten oft die Gestalt einer vornehmen Jungfrau erschienen, wie glaubwürdige Leute berichten und die Sage des Volkes bekräftigen. Als der Jesuit Pater Johannes Drachovius im Jahre 1626 in Böhmen die Bekehrung beinahe vollendet, ging er hinüber in das benachbarte Mähren, um auch dort die Leute zur katholischen Religion zurückzuführen. So gelangte er in das Schloß Parenstein, erhielt dort eine gute Wohnung und fing an, als ein Mann, der die Aufsuchung von Merkwürdigkeiten liebte, gleich in den ersten Tagen seiner Ankunft, durch das Schloß zu gehen, bestieg die Thürme, durchblickte die offen stehenden Gemächer und Zimmer, besah auch von der Höhe herab die ganze Umliegenheit.
Als er nun so gar ämsig war, alles zu
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