Volkssagen, Maerchen Und Legenden
das Kloster, dessen Ruinen man nur jetzt bewundert, auf dem Gipfel des Oybin stand, kam auch, wie, erzählt die Sage nicht, einst ein Mann hinauf, um die dortigen Geistlichen zu besuchen, wie dies häufig geschah. Einer der Brüder zeigte der Jungfrau die Schönheiten des Berges, führte sie herum zu den merkwürdigsten Plätzen, bei tiefen Schluchten vorbei und zeigte ihr die Pracht der Natur. Aber die Schönheit der Jungfrau erweckte sündliche Lust dem mit ihr einsam wandelnden Kloster Bruder und in sträflicher Begierde streckte er die Arme nach ihr aus. Da entfloh ihm die keusche Jungfrau, flüchtete die verschlungenen Wege entlang, verfolgt von dem nicht mehr sich selbst kennenden Mönch. Glaubend an eine sichere Stätte zu kommen, rann sie durch die unbekannten Pfade, bis plötzlich eine tiefe Spalte des Berges, eine ungeheuere Kluft, vor ihr lag. Da, um ihre Tugend zu retten, sprang sie muthig in den Abgrund hinab und die Engel des Herrn ergriffen die Sinkende und trugen sie sanft hinab, ohne einigen Schaden.
2.
Einst kam ein Jäger auf den Oybin und wandelte durch die labyrinthischen Gänge. Auch ein Mägdlein aus dem am Fuße des Berges liegenden Dorfe war heraufgestiegen und begegnete dem Waldmann, der, in sinnlicher Begierde, die schöne Beute sich nicht entgehen lassen wollte und auf sie zueilte. Wie ein gejagtes Reh stürzte sie durch die Felsenpfade, der Abgrund öffnet sich drohend vor ihr, sie springt hinab und kommt unversehrt auf den Boden nieder.
3.
Im Jahre 1601, am Tage Johannis des Täufers, als eine große Menge Menschen aus Zittau und den benachbarten Dörfern, der Gewohnheit nach, den Oybin besuchten, befand sich unter ihnen ein rasches Mädchen, die mit ihren Gespielinnen auch an diesem Orte sich umsah. Man scherzte, und jenes Mädchen wagt' es auf eine Wette, über diese Kluft wegzusetzen. Damals trugen noch die meisten Frauenzimmer, auch die vom Stande, Pantoffeln. Im Springen glitscht ihr der Fuß aus dem glatten Pantoffel und sie fiel hinunter. Da sie aber, nach damaliger Sitte, einen tüchtigen Reifrock an hatte, der sie vor dem schnellen Falle schützte, so ward sie durch Hülfe desselben in die Kluft gleichsam hinunter geschoben und kam ohne Nachtheil hernieder.
38. Der Tod des heiligen Beneda.
Neben dem Schloß Meissen in Sachsen hatte im Jahre 1088 König Wratislaus der erste von Böhmen eine Gegenfestung angelegt, zur Zügelung der Stadt, zu jener Zeit, als Meissen durch Kaiser Heinrich den 4ten dem Böhmerlande zugeschlagen ward. Guozedek hieß sie in Böhmischer Sprache, jede Spur ist jetzt davon verloren.
Ein Böhmischer Herr, Beneda genannt, landräumig aus unbekannten Ursachen, begab sich nach Meissen und zu dem heiligen Manne Benno, so ein Graf von Woldenburg aus Sachsen war. Als solches der König erfahren, hat er ihn, durch gütige Beschickung, aus Meissen zu sich in das Schloß Guozedek bestellen lassen. Beneda traute dem Könige und stellete sich ein. Der König sprach ihm mit guten Worten zu und bewog ihn, seinen Degen und Mantel in Freundschaft abzulegen, dem Beneda Folge that. Darauf wollte ihn der König, wider Treue und Glauben, greifen und anfassen lassen, aber Beneda, ein herzhafter Mann, erwischte in der Eile ein Schwerdt, so des Königs Kämmerling an der Seite trug und haute zuerst den Kämmerer, so den König schützen wollte, zu Boden.
Der König, so allein, verheißet ihm in der Gefahr Gnade zu erzeigen. Als darauf Beneda einhielt, stach und hieb der König auf solchen los. Dieser mußte sich wehren, und gab dem Könige drei Streiche, also, daß er fast zu Boden gesunken, indem die Wache aufgeregt wurde und auf Beneda zueilte, der dann in der ersten Wuth zwei Soldaten auf die Seele gefaßt, aber endlich übermannt und gefänglich angenommen ward. Und ob er wohl die Untreue des Königs, und wie er zur Noth und Gegenwehr höchst gedrungen, angezeigt hat, ist er doch mit vier Pferden aus einander gerissen und sein Körper, aus Gnaden, von dem Domstift Meissen begraben worden.
Aber das Grab umgab bald ein nächtlicher Heiligenschein, unzählig viel Todte wurden lebendig, viele Blinde sehend, viele Taube hörend, viel Stumme redend und viel Aussätzige rein. Da grub man den heiligen Leichnam aus und zusammen verbunden war wieder, was durch Gewalt der Pferde getrennt worden; der vollständige Leichnam ward in die Kirche genommen und der von Gott Geheiligte unter die Zahl der Heiligen versetzt.
39. Wie das Bergwerk zu St. Annaberg
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