Voll auf Ex-Kurs Roman
nicht mehr, dass ich hier hocke und mich mit einem schwachsinnigen, unnützen und noch dazu schlecht bezahlten Prospekt für eine piefige Baumarktkette befasse, während irgendwo da draußen meine große Liebe
herumläuft und … und … ja, was, und? Und schon bald irgendeine andere kennenlernt? O mein Gott, plötzliche Panik steigt in mir auf. Er wird eine andere kennenlernen, mit Sicherheit wird er das! Vielleicht hat er ja sogar schon?
Pia, versuche ich mich zu beruhigen, er ist erst seit gestern weg, und sooo schnell wird er seine Pierce-Brosnan-Scheinwerfer nun auch nicht auf ein neues Objekt der Begierde ausrichten. Hoffe ich jedenfalls. Aber um sechs Uhr morgens ist es auch eher unwahrscheinlich, dass Basti gerade eine andere anbaggert, das ist nun überhaupt nicht seine Zeit. Meine übrigens auch nicht. Zumindest normalerweise nicht. Aber bei Liebeskummer bedingter Insomnia (in Fachkreisen auch LBI genannt) kann es schon mal vorkommen, dass ich zu nächtlicher Stunde im Büro sitze und versuche, mich abzulenken. Wenigstens mein Chef wird begeistert sein, dass mich mein derzeitiger Zustand in ein Dasein als Workaholic treibt.
Drei Stunden später: Mein Chef wird nicht begeistert sein. Denn anstatt mich darauf zu konzentrieren, die Vorzüge von Winkelschleifern, Heißklebepistolen und Tischkreissägen mit Hilfe poetischster Worte hervorzuheben, gilt meine gesamte Konzentration – Basti. Und dem verzweifelten Gedanken daran, wie schön es mit uns beiden war …
Kleine und Basti, Teil 1:
Ich sah ihn das erste Mal, als meine Freundin und Kollegin Barbara Ende April ihren Junggesellinnenabschied auf der Reeperbahn feierte. Eine an und für sich vollkommen würdelose und überholte Veranstaltung. Erwachsene Frauen werfen sich in rosafarbene T-Shirts mit der Aufschrift »Barbaras letztes Geleit«, trinken sich zu Hause mit billigem Fusel einen Schwips an, stecken die angehende Braut in ein peinliches Bunnykostüm, hängen
ihr einen Bauchladen mit Kondomen und Schnäpsen um und scheuchen sie zwecks Verkauf des überschaubaren Sortiments kreuz und quer über die Reeperbahn. Dabei wird gegackert, als wäre man dreizehn Jahre alt, und gebechert, als gäbe es kein Morgen mehr.
Tja, und in diesem äußerst fragwürdigen Zustand habe ich Sebastian eben kennengelernt. In einem rosafarbenen T-Shirt, in der Hand ein paar Fläschchen »Kleiner Feigling«. Insgesamt schon ein mehr als schlechtes Omen. Aber die Optimistin in mir sagt sich noch heute, dass eine Geschichte, die so anfängt, im Grunde genommen nur gut ausgehen kann, weil die kosmische Lebensdramaturgie es verlangt, dass die negative Anziehung durch positive Schwingungen verstärkt im Endergebnis zwingend dazu führen muss, dass, dass … jetzt habe ich den Faden verloren.
Jedenfalls stand er plötzlich neben mir, als wir vor dem Eingang des »Goldenen Sacks« gerade eine grölende Horde Männer mit Kondomen und Kurzen zu je drei Euro versorgten (mittlerweile waren wir dazu übergegangen, Barbara beim Verkauf ein bisschen unter die Arme zu greifen). Das heißt, er stand nicht wirklich neben mir, er lehnte an einer Hauswand, rauchte eine Zigarette und beobachtete unser Treiben mit zynisch in die Höhe gezogenen Augenbrauen. Lässig. Typ einsamer Wolf. Sprich: Eigentlich viel zu cool für mich – aber der »Kleine Feigling« hatte mich längst enthemmt. Und so stolperte ich auf ihn zu, auf den Mann, der in Kürze mein Leben komplett auf den Kopf stellen sollte, hielt ihm eine Handvoll Präservative und Schnapsfläschchen unter die Nase und sprach die historischen Worte: »Willst du auch welche?«
Sein zynischer Blick wich einem Lächeln, das nicht minder zynisch war. Und er schüttelte den Kopf. »Schade«, sagte ich, »aber warum denn nicht?« Eine Frage, wir erinnern uns, mit der unsere Geschichte nicht nur begann, sondern mit der sie auch wenige Monate später enden sollte.
»Ich habe alles, was ich brauche«, erwiderte er ruhig und nicht mal unfreundlich, der Klang seiner dunklen Stimme rieselte wie sanfte Musik in meine Ohren.
»Oh«, kam es dann von mir, »da hast du ja echt Glück, wenn du das von dir behaupten kannst.«
»Ja, das habe ich.« Darauf wusste ich nichts mehr zu erwidern, so dass ich mich zurück zum hysterischen Haufen trollte. Wohl doch eine Nummer zu groß für mich, eindeutig nicht die Kategorie Mann, mit der ich mich auskenne. Was vielleicht daran liegt, dass ich normalerweise nie irgendwelche Typen anspreche, sondern mich
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