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Voll das Leben (German Edition)

Voll das Leben (German Edition)

Titel: Voll das Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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vorzufinden. Er unterdrückte das Gefühl von enttäuschter Verärgerung. Ja, es wäre in jeglicher Hinsicht leichter gewesen, hätte Jan sich aus dem Staub gemacht, doch Ruhe hätte er selbst danach wohl niemals mehr in seinem Leben gefunden. Es tat ihm leid, wie ruppig er ihn behandelt hatte. Regelrecht brutal. Der schockierte Ausdruck in dem schmalen, von Kummer gezeichneten Gesicht, als Nick ihn nackt aus dem Bad geworfen hatte …
    Jan saß steif und sehr angespannt auf der sündhaft teuren weißen Designercouch. Er war so weit nach vorne gerutscht, als hätte er Angst, den makellosen Stoff mit seiner bloßen Anwesenheit zu beschmutzen. Er fühlte sich sichtlich unwohl. Sein Blick flackerte nur kurz in seine, Nicks Richtung, womöglich hatte er sogar Angst vor ihm.
    Nick seufzte und floh in die Küche, wo er sich erst einmal Halt suchend auf der spiegelblanken schwarzen Arbeitsplatte abstützte. Nach kurzem Überlegen brühte er Früchtetee auf und bereitete ein Käsesandwich zu, das er wie ein Friedensangebot vor Jan auf den Glastisch stellte.
    Der sagte nichts, sah ihn nicht an. Schweigend aß er, das Gesicht von ihm abgewandt. Ihn so scheu, so kaputt zu sehen war schmerzhaft. Nick hatte ihn immer für seine immense Kraft bewundert. Für sein Selbstbewusstsein, das sich von nichts erschüttern ließ. Sein ausgeglichenes, ruhiges Wesen. Nichts davon war mehr übrig und Nick war sich zu sehr bewusst, dass er daran mitschuldig war.
    „Du kannst heute Nacht hier schlafen“, sagte er leise, darauf bedacht, ihn nicht noch mehr zu verschrecken. „Morgen überlegen wir dann, wie es weitergehen soll mit dir. Auf der Straße zu sterben ist jedenfalls keine Option.“
    Jan nickte stumm. Er kämpfte offensichtlich schon wieder mit den Tränen, und das nicht allzu erfolgreich.
    Seufzend sprang Nick auf, schnappte sich sein Handy und zog sich erneut in die Küche zurück. Er brauchte Hilfe, das hier war mindestens eine Nummer zu groß für ihn!
     
    Jan schreckte aus seiner Versunkenheit hoch, als er Nicks wütende Stimme hörte.
    „Was sollte ich denn machen? Hm? Ihn da draußen erfrieren lassen? Nein. Nein, weder Familie noch Freunde. Max, denk wenigstens darüber nach, okay? Jan kennt das Projekt mit dieser englischen Firma, wie heißt sie gleich … Genau. Da könnte er sich vielleicht reinarbeiten.
    Scheiße, was spricht dagegen? Wenn wir ihm helfen, klappt das schon. Du gibst ihm Arbeit, er verdient Geld und kommt wieder auf die Füße. Für den Übergang könnte er im Büro schlafen. Ideallösung für alle! Ja. Klar wird das … Ohne seinen Lover hatte er keine Aufgabe, okay? Ist doch klar, dass man abstürzt, wenn …
    – Ich konnte ihn nie ausstehen, geklappt hat’s trotzdem.
    – Mitleid. Ganz einfach Mitleid. Du müsstest ihn mal sehen, wie ein geprügelter Hund.“
    Wie festgefroren hatte Jan dem Gespräch gelauscht, von dem er nur Nicks Part verstehen konnte. Nun stand er langsam auf und marschierte wie ferngesteuert in den Flur. Ihm war klar gewesen, dass Nick ihn nicht mochte. Dass er sich bloß um ihn kümmerte, weil auch seine Mama ihm die Grundbegriffe von Anstand und Menschlichkeit beigebracht hatte. Trotzdem tat es weh, es laut ausgesprochen zu hören. Und das Max ihn offensichtlich nicht wiederhaben wollte … Geprügelter Hund …
    Hätte er die Kraft dazu, würde er jetzt sehr, sehr wütend werden. Es brannte in ihm, diesem Arschloch endlich mal alles ins Gesicht zu brüllen, was sich über die Jahre aufgestaut hatte. Eine weitere Gelegenheit dazu würde sich wohl nicht mehr bieten.
    Vielleicht im nächsten Leben.
    Als er die Schuhe geschnürt hatte und sich aufrichtete, fiel sein Blick auf die Flurkommode. Wie beinahe alle Möbel in Nicks Wohnung bestand auch sie aus edlem hellem Holz. Nick hatte sein Schlüsselbund und das Portemonnaie achtlos dort liegen gelassen.
    Ohne nachzudenken nahm Jan es in die Hand. Das schwarze Leder fühlte sich butterweich an. Teuer. Innen befanden sich die üblichen Bank- und Visitenkarten sowie einige Geldscheine. Insgesamt hundert Euro. Jans Magen krampfte sich zusammen, als er das Geld in die Hosentasche steckte. Halbblind vor Tränen warf er sich die Jacke über und wollte mit dem Rucksack in der Hand aus der Wohnung schleichen, da …
    „Was soll das denn jetzt?“
    Nick.
    Er erwischte ihn an der Schulter und wirbelte ihn herum, sodass er mit dem Rücken gegen die Wand prallte.
    „Wo willst du hin?“
    Schwer atmend sah Jan zu ihm auf. Nick war wütend. Vor

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