Voll gebissen
meine erste Autofahrt. Mit flauem Magen nahm ich auf dem Fahrersitz Platz und begrüßte zuerst meinen Fahrlehrer , der wie gewohnt auf dem Beifahrersitz saß, und danach den Prüfer, der hinter ihm Platz genommen hatte.
„Hallo , Mrs Forsyth. Ich bin Mr Dawson und werde Ihnen heute Ihre Prüfung abnehmen. Ich hoffe, das wird eine angenehme Stunde.“ Mr Dawson lächelte freundlich und reichte mir seine Hand.
Mein liebenswürdiger Fahrlehrer allerdings unterdrückte ein Lachen und ich schaute vernichtend in seine Richtung. Das war eine Beeinflussung des Prüfers. Sowas war mit Sicherheit nicht erlaubt.
Ich machte alles, wie ich es gelernt hatte. Ich schob den Fahrersitz in die richtige Position, stellte sämtliche Spiegel ein und startete den Motor. Soweit so gut.
Ich ließ die Kupplung langsam kommen und betete inständig, dass ich die blöde Karre nicht schon wieder abwürgte .
Noch ein Stückchen …
N och ein Stückchen mehr …
Noch mehr …
Z uviel!
Der Wagen machte einen Satz nach vorn und erstarb unter lautem Stottern. So ein Elend! Musste das ausgerechnet heute passieren? Aber was hatte ich auch erwartet. Schließlich begann jede meiner Fahrstunden so.
Zu meiner Überraschung klopfte der Prüfer mir fürsor glich auf die Schulter.
„Das kann passieren. Sei en Sie nicht so aufgeregt, dann klappt das auch.“
Er hatte leicht Reden. Er wusste ja nicht, wie meine Fah rstunden bis dato verlaufen waren. Ich lächelte dankbar und versuchte es erneut. Diesmal mit Erfolg.
Ich glaube, ich war noch nie so hochkonzentriert beim Autofahren , wie an diesem Tag. Selbst das rückwärts Einparken klappte reibungslos. Ich übersah weder ein Stoppschild, noch nahm ich jemandem die Vorfahrt . Alles lief wie am Schnürchen, bis plötzlich eine Katze aus dem Gebüsc h sprang und über die Straße lief.
Erschrocken trat ich auf die Bremse. Mein Prüfer wurde gegen den Beifahrersitz gedrückt und den Fahrlehrer presste es gegen die Windschutzscheibe. Dann ein Knall! Ich hatte sie erwischt! Mit einem lauten Schnaufen löste mein Fahrlehrer sein Gesicht von der Scheibe und starrte mich böse an.
Entsetzt drehte ich mich zu dem Prüfer um, der mi ndestens ebenso schockiert aus der Wäsche schaute wie ich. Er rückte seinen Hut zurecht und stieg aus, um nach der Katze zu sehen, doch von ihr war weit und breit keine Spur. Vermutlich hatte sie sich in irgendeinen Busch verkrochen und verblutete jetzt dort.
Ich merkte, wie es mir die Kehle zuschnürte und sich Tränenflüssigkeit in meinen Augen sammelte. Ich hatte meinen Führerschein nicht bestanden und oben drauf auch noch eine arme Katze überfahren. Ich starrte auf das Lenkrad und wartete auf weitere Anweisungen.
Der Prüfer nahm wieder Platz und klopfte mir abermals auf die Schulter.
„Ich glaube, für heute reichtʼs. Fahren Sie uns besser nach Hause.“
Ich linste zu meinem Fahrlehrer, der so kreidebleich im Gesicht war, dass ich mir nicht sicher sein konnte, ob er überhaupt noch lebte oder an einem Schock gestorben war. Trotzdem ließ ich den Wagen wieder an und fuhr zurück auf unseren Hof . Ich nahm den Türgriff in die Hand und drückte die Tür auf, damit ich aussteigen konnte, da packte der Prüfer mich erneut an der Schulter.
„Wo wollen wir denn so schnell hin, junge Dame?“ Ich schaute betreten zu Boden. Ob er mich jetzt zur Polizei bringen wollte, um Anzeige gegen mich zu erstatten, weil ich eine Katze totgefahren hatte? Das mulmige Gefühl, das sich schon die ganze Zeit in meinem Magen breitgemacht hatte, verstärkte sich.
„Sie wissen ja, dass diese Bremsaktion Sie eigentlich den Führerschein kostet?“ Streng sah er mich an.
„Ja, das weiß ich“, gab ich kleinlaut zu.
Der Prüfer nickte zufrieden. „Doch Sie haben Glück. Ich bin ein absoluter Katzenliebhaber und werde ausnahmsweise ein Auge zudrücken. Sollte sich einmal eines meiner Kät zchen auf die Straße verirren, würde ich mir wünschen, alle Autofahrer wären so geistesgegenwärtig wie Sie.“ Dann holte er eine kleine Karte hervor und überreichte sie mir.
„Meinen herzlichsten Glückwunsch, junge Dame. Ich hoffe, Sie werden viel Freude damit haben.“ Mr Dawson lächelte herzlich und gab mir zum Abschied die Hand.
Ich konnte gar nicht glauben, was hier g erade passierte.
Fassungslos schaute ich auf meinen Führerschein, dann wieder zu dem Prüfer. Erst nach und nach realisierte ich, was er da eben gesagt hatte. Ein Gefühl unbändiger Freude durchfloss meinen Körper.
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