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Voll gebissen

Voll gebissen

Titel: Voll gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carina Mueller
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Egal wo er mich sah, auch wenn Liam nicht dabei war, grüßte er mich von weitem und versuchte Smalltalk mit mir zu halten. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal zugeben würde, aber Kyle konnte tatsächlich nett sein. Vielleicht hatte ich ihn auch nur immer falsch eingeschätzt.
    Amilia hingegen flüsterte nur ein abschätziges „Hallo Emma“ in meine Richtung. Sie behandelte mich nicht mehr wie Luft, was bei ihr schon ein absoluter Fortschritt war, doch wir waren noch weit davon entfernt, jemals sowas wie befreundet zu sein.
    Liam hingegen zwinkerte sie aufmunternd zu und hauchte ihm ein verführerisches „Hey Liam!“ entgegen, während sie sich mit einer Hand lasziv durch die blonden Haare strich. Wenn ich das sah, war es an mir, eifersüchtig zu reagieren.
    Eigentlich hatte es dafür nie einen Grund gegeben, da Liam sie normalerweise weitgehend ignorierte, doch heute schenkte er ihr ebenfalls ein Lächeln. Ein – für meinen Geschmack – zu nettes Lächeln. Ich fragte mich, was das sollte. Hatte ich irgendetwas nicht mitbekommen? Doch bevor ich mir weiter darüber Gedanken machen konnte, zog mich Liam zu unserem Platz. Mr Graham war zur Tür hereingekommen und schwang seinen Mantel über die Stuhllehne. Jetzt hatten wir Geschichte. Ich packte mein Buch aus und folgte aufmerksam dem Unterricht.
     
    Nachdem die Schule vorbei war, gingen Liam und ich gemeinsam zu mir nach Hause. Es war Donnerstag, also musste er im Laden aushelfen. Ungefähr 5 Meter vor unserer Haustür blieb ich stehen und seufzte tief. Liam schaute mich aufmerksam an, dann lächelte er liebevoll. Er wusste genau, was los war. Seit ich mit dem Führerschein begonnen hatte, nutzte mein Vater nämlich die Tage, an denen Liam im Laden war, um mir weitere Fahrstunden zu erteilen.
    „Wird schon nicht so schlimm werden“, sagte er in einem aufmunternden Tonfall und streichelte zärtlich meine Wange.
    Ich seufzte wieder. „Wenn du das sagst.“ In Wahrheit dachte ich aber: „Du hast ja so was von keine Ahnung“ und setzte mich langsam in Bewegung.
    Da unsere Haustür halb verglast war , konnte ich bereits sehen, wie mein Vater mit dem Autoschlüssel dahinterstand und nur auf meine Ankunft wartete. Liam gab mir einen Kuss auf die Stirn, was Dad gar nicht gerne sah, und verschwand im Laden.
    Mein Vater mochte Liam. Nur nicht unbedingt in Ve rbindung mit mir, doch immerhin gut genug, um ihm für ein paar Stunden seinen heißgeliebten Laden anzuvertrauen.
    „Du erreichst mich auf dem Handy, Liam!“ , schrie er in Richtung Verkaufsraum und schob mich wieder aus dem Haus, obwohl ich es gerade mal geschafft hatte, meine Schultasche abzulegen.
    Seit ich wusste, was an Vollmondnächten mit Liam passierte, bestand ich wenigstens den Tag danach darauf, meine Tasche selbst zu tragen. Es hatte mich zwar einige Überredungskunst und Überzeugungsarbeit gekostet, doch schließlich hatte Liam klein beigegeben. An dem Tag danach, oder wie ich es scherzhaft nannte „the day after“, war Liam sowieso zu müde, um sich mit irgendetwas anderem zu befassen, als mit Schlafen.
    Ich stieg in das Auto meines Vaters ein. Der uralte Nissan fiel allein schon vom Angucken auseinander. Vorsichtig steckte ich den Schlüssel ins Zündschloss.
    „Ein bisschen mehr Gefühl , Emma!“, herrschte mein Vater mich an.
    Ich runzelte die Stirn und drehte langsam den Schlüssel um.
    „Mehr Gefühl beim Motor starten , bitte“, kam sofort die nächste Anweisung.
    Wie albern war das denn?! Mein Dad tat ja fast s o, als würde dieses Ding leben. Ich schnaubte, verkniff mir aber jeglichen Kommentar. Dass mein Dad diesbezüglich im Oberstübchen nicht ganz rund lief, damit hatte ich mich bereits abgefunden.
    Auch wenn die Optik von Dads Auto es nicht vermuten ließ, kam ich mit der Kupplung des alten Nissans erstaunlicherweise besser zurecht, als mit dem Fahrschulauto, so dass wir nach dem ersten Startversuch bereits vom Hof herunterfahren und ich mit ihm eine Runde durch die Gegend drehen konnte.
    Als wir eine weitausgebaute Landstraße befuhren, ko mmandierte mein Vater: „Nun zier dich doch nicht so. Drück doch mal auf das Gaspedal. Dafür ist es schließlich da.“
    Immer meckerte er, wenn ich langsam fuhr. Sollte ein Vater sich nicht dar über freuen, wenn seine Tochter beim Autofahren vorsichtig und achtsam war? Aber auch das war mal wieder völlig anders in meiner Familie. Mein Dad wollte scheinbar, dass ich aufgrund zu hoher Geschwindigkeit von der Straße abkam, mich

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