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Voll im Bilde

Voll im Bilde

Titel: Voll im Bilde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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wobei sich ihre breiten Hinterteile deutlich im Mondlicht abzeichneten. Man hörte lautes Schnaufen und Keuchen, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten.
    Der Dozent lehnte sich an die Wand und hielt inne, um das Zittern in seinen Knien zu beruhigen. »Äh, Dekan… Ist die Mauer während der letzten fünfzig Jahre höher geworden?«
    »Ich… glaube… nicht.«
    »Komisch. Früher bin ich wie eine Gazelle darüber hinweggehüpft. Ist noch gar nicht so lange her. Nur ein paar Jahre oder so.«
    Die Zauberer wischten sich Schweiß von der Stirn und wechselten verlegene Blicke.
    »Bin an fast jedem Abend hinübergehuscht, um das eine oder andere Bier zu kippen«, sagte der Professor.
    »Ich habe jeden Abend damit verbracht, Bücher zu lesen und zu studieren«, betonte der Dekan stolz.
    Der Professor kniff die Augen zusammen.
    »Ja, stimmt«, bestätigte er. »Ich erinnere mich daran.«
    Den Zauberern wurde allmählich klar, daß sie sich zum erstenmal seit Jahrzehnten außerhalb der Universität befanden, in der Nacht und ohne Erlaubnis. Unterdrückte Aufregung knisterte zwischen ihnen. Ein aufmerksamer Beobachter, der die subtilen Hinweise der Körpersprache zu deuten verstand, mußte zu folgendem Schluß gelangen: Nach dem Streifen würde jemand vorschlagen, etwas zu trinken, und dann mochte jemand anders Appetit verspüren, und anschließend gab es noch Platz genug für weitere Drinks, und gegen fünf Uhr morgens mußte man damit rechnen, daß die Nachtwache respektvoll ans Tor der Universität klopfte und den Erzkanzler darum bat, sie zu den Zellen zu begleiten, um dort einige angebliche Zauberer zu identifizieren, die sechsstimmig zotige Lieder sangen. Und ob er etwas Geld mitbringen könnte, um den angerichteten Schaden zu bezahlen?
    In jedem alten Menschen wohnt ein junger, der sich fragt, was geschehen ist.
    Der Professor hob die Hand zu seinem großen und breiten Hut, dessen Krempe schlaff herunterhing.
    »Also gut, Jungs«, sagte er. »Weg mit den Hüten.«
    Seine Begleiter nahmen ihre Kopfbedeckungen ab, wenn auch widerstrebend. Zauberer hängen an ihren Hüten – weil sie ihnen das Gefühl geben, Zauberer zu sein. Doch der Professor hatte deutlich darauf hingewiesen: Wenn die Leute aufgrund des spitzen Hutes wußten, daß sie es mit einem Zauberer zu tun hatten – dann brauchte man ihn nur abzunehmen, um für einen reichen Kaufmann oder etwas in der Art gehalten zu werden.
    Der Dekan schauderte. »Ich komme mir völlig nackt vor.«
    »Wir verstauen sie unter Poons Decke«, sagte der Professor. »Dann weiß niemand, daß wir, äh, wir sind.«
    »Ja«, entgegnete der Dozent für neue Runen skeptisch. »Hoffentlich vergessen wir nicht, wer wir sind.«
    »Bestimmt halten uns die Leute für, äh, ganz normale Bürger.«
    »So fühle ich mich«, sagte der Dekan. »Wie ein ganz normaler Bürger.« Er schauderte erneut.
    »Oder für Kaufleute«, fügte der Professor hinzu und strich sein weißes Haar glatt.
    »Denkt immer daran«, ermahnte er die anderen. »Ganz gleich, was jemand sagt: Wir sind keine Zauberer, sondern ehrliche, rechtschaffene Kaufleute, die einen angenehmen Abend verbringen wollen. Kapiert?«
    »Wie sehen ehrliche, rechtschaffene Kaufleute aus?« fragte jemand.
    »Woher soll ich das wissen?« erwiderte der Professor. »Niemand darf Magie beschwören. Ich muß wohl nicht extra darauf hinweisen, was passiert, wenn der Erzkanzler erfährt, daß sein Lehrpersonal dem Laster gewöhnlicher Unterhaltung frönt.«
    »Noch schrecklicher wär’s, wenn die Studenten dahinterkämen«, brachte der Dekan mit zittriger Stimme hervor.
    »Falsche Bärte«, meinte der Dozent für neue Runen triumphierend. »Wir könnten falsche Bärte tragen.«
    Der Professor rollte mit den Augen.
    »Wir haben bereits Bärte«, betonte er. »Falsche Bärte wären wohl kaum eine geeignete Verkleidung.«
    »Das ist ja gerade das Schlaue daran«, beharrte der Dozent. »Wenn jemand einen falschen Bart trägt… Wer würde vermuten, daß er darunter einen richtigen Bart hat?«
    Der Professor setzte zu einem Einwand an und zögerte.
    »Nun…«, sagte er.
    »Aber wo sollen wir uns um diese Zeit falsche Bärte beschaffen?« erkundigte sich ein Zauberer.
    Der Dozent strahlte und griff in seine Tasche. »Das ist überhaupt nicht nötig. Hehe, jetzt wird’s noch schlauer. Ich habe ein wenig Draht mitgebracht. Man braucht nur zwei Stücke davon abzubrechen, zurechtzubiegen, in die Koteletten zu stecken und dann auf eine eher

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