Voll im Bilde
rechtschaffene Kaufleute«, wiederholte er laut und stieß den Dekan in die Rippen. »Na los!« raunte er.
»Na los was?«
»Sag was Kaufmannartiges.«
»Was sagen Kaufleute?« erwiderte der Dekan verwirrt.
»Sag irgend etwas! Alle starren uns an!«
»Oh.« Panik bildete tiefe Falten im Gesicht des Dekan, und dann hatte er den rettenden Einfall. »Knackige Äpfel«, verkündete er. »Kauf sie, solange sie noch heiß sind. Leckere knackige Äpfel… Genügt das?«
»Ich glaube schon. Und jetzt begleite mich zum Ende…«
Unruhe kam am Ende der Schlange auf. Wartende drängten nach vorn. Die Leute gaben ihre Plätze auf und stürmten los. Die Kaufleute befanden sich plötzlich mitten im dichtesten Gedränge.
»Ach, auf einmal stellt sich niemand mehr an, wie?« grummelte der ehrliche Kaufmann für neue Runen, als man ihn zur Seite schob.
Der Dekan hielt einen Jungen fest, der sich mit den Ellenbogen Platz zu schaffen versuchte.
»Was ist los, junger Mann?« fragte er.
»Sie kommen!« rief der Knabe.
»Wer?«
»Die Stars!«
Die Zauberer blickten nach oben. »Die Stare?«
»Die Stare fliegen doch immer noch durch die Luft?« fragte der Dekan. Der Junge hörte ihm nicht zu, löste sich aus dem Griff und verschwand in der aufgeregten Menge.
»Primitives Volk«, brummte der Dekan. Die Zauberer reckten den Hals, um zu sehen, was nun geschah. Poons bildete die einzige Ausnahme, keifte und schlug mit seinem Stock um sich.
Der Quästor begegnete dem Erzkanzler im Flur.
»Im Ungemeinschaftsraum hält sich niemand auf!« rief er.
»Die Bibliothek ist leer!« donnerte Ridcully.
»Ich habe von diesem Phänomen gehört«, jammerte der Quästor. »Ein spontanes Soundso. Sie sind spontan verschwunden!«
»Beruhig dich, Mann. Nur weil…«
»Selbst nach den Dienern habe ich vergeblich gesucht! Du weißt sicher, was passiert, wenn Löcher in der Wirklichkeit entstehen! Wahrscheinlich tasten schon jetzt gewaltige Tentakel…«
In der Ferne erklang ein dumpfes Wumm-wumm, und Bleikugeln prallten von einer Wand ab.
»Immer die gleiche Richtung«, murmelte der Quästor.
»Und welche?«
»Die Richtung, aus der sie kommen werden! Ich glaube, ich verliere den Verstand!«
»Na, na.« Der Erzkanzler klopfte dem Quästor auf die Schulter. »So etwas solltest du nicht sagen. Es klingt verrückt.«
Ginger starrte erschrocken aus dem Fenster der Kutsche.
»Wer sind all die Leute?« fragte sie.
»Fans«, erwiderte Schnapper.
»Das klingt dämonisch.«
»Leute, die euch gern in den Streifen sehen«, erklärte Soll. »Äh. Sie mögen euch sehr.«
»Es sind auch Frauen dabei.« Victor winkte vorsichtig, und eine der Damen fiel in Ohnmacht.
»Du bist berühmt«, wandte er sich an Ginger. »Und du wolltest doch immer berühmt sein, oder?«
Ginger sah erneut aus dem Fenster. »So hätte ich mir das nie vorgestellt. Alle rufen unsere Namen!«
»Wir haben überall Plakate an Mauern geklebt, um für Vom Winde weggeweht zu werben«, sagte Soll.
»Ja, genau«, bestätigte Schnapper. »Und wir haben immer wieder darauf hingewiesen, es sei der beste Streifen in der ganzen Geschichte von Holy Wood.«
»Aber die beweglichen Bilder gibt es doch erst seit einigen Monaten«, meinte Ginger.
»Na und? Geschichte muß doch nicht unbedingt lang sein, oder?«
Victor bemerkte die Nachdenklichkeit in Gingers Zügen. Wie lang ist die wahre Geschichte von Holy Wood? überlegte er. Vielleicht lag ein uralter Steinkalender auf dem Meeresgrund, zwischen den Hummern. Vielleicht gab es gar keine Möglichkeit, die verstrichene Zeit zu messen. Wie maß man das Alter einer Idee?
»Bestimmt sind auch viele Würdenträger und Honoratioren hier«, sagte Schnapper. »Der Patrizier und der Adel und die Oberhäupter der Gilden und die Hohepriester. Die Zauberer natürlich nicht. Hochnäsige Idioten. Wie dem auch sei: Uns steht ein unvergeßlicher Abend bevor.«
»Wird man uns ihnen allen vorstellen?« erkundigte sich Victor.
»Nein, sie werden euch vorgestellt«, antwortete Schnapper. »Ein einzigartiges Erlebnis für sie. Die werden noch ihren Enkeln davon erzählen.«
Victor starrte zur Menge.
»Bilde ich es mir nur ein, oder wird’s tatsächlich neblig?« fragte er.
Poons Stock traf die Beine des Professors.
»Was geht hier vor?« zeterte er. »Warum jubeln alle?«
»Der Patrizier hat gerade seine Kutsche verlassen«, sagte der Professor.
»Was soll daran so wundervoll sein?« brummte Poons. »Ich bin mindestens hundertmal aus
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