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Voll im Bilde

Voll im Bilde

Titel: Voll im Bilde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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was Delores De Syn anging… Lord Vetinari hatte gehört, wie sie nach Luft schnappte, als sie den Saal erreichten.
    Beide erweckten den Eindruck, an einem profunden Schock zu leiden.
    »Ich schätze, dies alles ist euch längst vertraut«, sagte der Patrizier.
    »Nein«, erwiderte Victor. »Eigentlich nicht. Wir sind noch nie zuvor in einem Kino gewesen.«
    »Mit einer Ausnahme«, fügte Ginger grimmig hinzu.
    »Ja. Mit einer Ausnahme.«
    »Nun, ihr tretet doch in den beweglichen Bildern auf«, sagte der Patrizier freundlich.
    »Das stimmt«, bestätigte Victor. »Aber wir sehen nie das ganze Werk, nur immer Teile davon, bevor der Kurbeldreher die einzelnen Aufnahmen und Szenen zusammenklebt. Bisher hatte ich nur einmal Gelegenheit, einen vollständigen Streifen zu betrachten, und man zeigte ihn draußen, auf einem zwischen Pfählen gespannten Bettlaken.«
    »Dies ist also neu für euch?« vergewisserte sich der Patrizier.
    »Nicht unbedingt«, schränkte Victor ein. Sein Gesicht war aschgrau.
    »Faszinierend«, sagte Lord Vetinari und fuhr damit fort, Schnappers Ausführungen zu ignorieren. Er war nicht deshalb zum Patrizier geworden, weil er herausfand, wie Dinge funktionierten. Seiner Ansicht nach kam der Frage, warum sich Leute auf eine ganz bestimmte Weise verhielten, wesentlich größere Bedeutung zu.
    Soll saß in der gleichen Sitzreihe, beugte sich zu seinem Onkel vor und legte ihm eine kleine Spule auf den Schoß.
    »Das gehört dir«, sagte er zuckersüß.
    »Was ist es?« fragte Schnapper.
    »Nun, ich dachte mir: Sieh dir den Streifen noch einmal an, bevor er gezeigt wird…«
    »Tatsächlich?«
    »Und was fand ich dabei, mitten in der Szene der brennenden Stadt? Ein einzelnes Bild, so oft hintereinandergeklebt, daß es fünf Minuten lang auf der Leinwand erschienen wäre: ein Teller mit Rippchen in Hargas spezieller Erdnußbuttersoße. Ich weiß natürlich warum. Aber ich würde gern wissen: Warum dies?«
    Schnapper lächelte schuldbewußt. »So wie ich die Sache sehe… Wenn ein schnelles Bild Leute dazu veranlaßt, sich bestimmte Dinge zu wünschen – stell dir vor, was mit ihnen passiert, wenn sie das Bild fünf Minuten lang betrachten.«
    Soll starrte ihn an.
    »Du hast meine Gefühle verletzt«, sagte Schnapper. »Mit Mißtrauen. Deinem eigenem Onkel gegenüber. Ich habe dir hoch und heilig versprochen, darauf zu verzichten, in diesem Fall für Hargas Rippenstube zu werben, und du vertraust mir nicht? Das tut weh, Soll. Sehr weh. Was ist bloß mit der Moral passiert?«
    »Vielleicht hast du sie jemandem verkauft, Onkel.«
    »Ich bin zutiefst verletzt«, behauptete Schnapper.
    »Du hast dein Versprechen nicht gehalten, Onkel.«
    »Was spielt das für eine Rolle? Geschäft ist Geschäft. Wir sprechen hier von einer Familien angelegenheit. Du mußt lernen, deinen Verwandten zu vertrauen, Soll. Insbesondere mir.«
    Der Neffe zuckte mit den Schultern. »Schon gut. Schon gut.«
    »Versprichst du’s mir?«
    »Ja, Onkel.« Soll lächelte. »Ich verspreche es dir hoch und heilig.«
    »Braver Junge!«
    Am anderen Ende der Reihe starrten Victor und Ginger entsetzt auf die leere Leinwand.
    »Du weißt, was gleich geschehen wird, nicht wahr?« fragte die junge Frau.
    »Ja. Sicher erklingt Musik aus einem Loch im Boden.«
    »War jene Höhle wirklich ein Kino?«
    »Ich glaube schon«, erwiderte Victor kummervoll.
    »Aber hier ist die Leinwand nur eine Leinwand. Wie eine Art Laken. Und in der Höhle…«
    Im vorderen Bereich des Saals dröhnte es. Lautes Klirren folgte, dann das Pfeifen verzweifelt fliehender Luft – eine Plattform trug Bezams Tochter Kalliope nach oben. Sie hämmerte auf die Tasten einer Orgel, offenbarte dabei einen Elan, der auf stundenlanges Üben hinwies. Hinter dem geplagten Musikinstrument arbeiteten zwei Trolle an den Blasebälgen. Kalliope war eine recht kräftig gebaute Frau, und mit welchem Musikstück auch immer sie rang – es verlor.
    Im Parkett griff der Dekan nach einer Tüte und reichte sie dem Professor.
    »Mit Schokolade überzogene Rosinen gefällig?« fragte er.
    »Sieht wie Rattenkot aus«, sagte der Professor.
    Der Dekan nahm es näher in Augenschein. Gnädiges Zwielicht verhüllte Einzelheiten.
    »Das ist also der Grund«, brummte er. »Eben fiel die Tüte hin, und als ich sie aufhob, schien sie plötzlich voller zu sein.«
    »Pscht!« zischte eine Frau hinter ihnen. Windle Poons knochiger Schädel drehte sich wie von einem Magneten angezogen.
    »Hutschie-kutschie!«

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