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Voll im Bilde

Voll im Bilde

Titel: Voll im Bilde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Betten wieder damit zu beziehen.
    Einige Hektar der mit Buschwerk bewachsenen Landschaft hörten auf, die Dünen des Großen Nef zu sein und verwandelten sich in einige ganz gewöhnliche Hektar aus mit Buschwerk bewachsener Landschaft zurück. Victor gewann den Eindruck, von einer ähnlichen Metamorphose erfaßt zu werden.
    Die Beschwörer der kinematographischen Magie brachen nacheinander auf, lachten, scherzten und kamen überein, sich später bei Borgel zu treffen.
    Ginger und Victor blieben in einem immer größer werdenden Kreis aus Leere zurück.
    »So habe ich mich damals gefühlt, als der Zirkus weiterzog«, sagte die junge Frau.
    »Schnapper meinte, morgen wird ein neuer Film gedreht«, erwiderte Victor. »Ich bin sicher, er improvisiert sie die ganze Zeit über. Wie dem auch sei: Wir bekommen zehn Dollar pro Tag. Minus einen für Gaspode«, fügte er gewissenhaft hinzu, sah Ginger an und grinste dümmlich. »Kopf hoch. Du bist bei den beweglichen Bildern. Und du wolltest doch immer bei den beweglichen Bildern sein, oder?«
    »Unsinn. Bis vor zwei Monaten wußte ich überhaupt nichts von den beweglichen Bildern – weil es gar keine gab.«
    Sie schlenderten zu der Stadt aus Hütten und Schuppen.
    »Was wolltest du werden, als du noch nichts von den beweglichen Bildern wußtest?« fragte Victor nach einer Weile.
    Ginger zuckte mit den Achseln. »Was weiß ich. Ich hatte nur keine Lust, Kühe zu melken.«
    Victor dachte an sein Zuhause und versuchte, sich an Kühe melkende junge Frauen zu erinnern. »Schien mir immer eine interessante Arbeit zu sein, das Melken«, sagte er unbestimmt. »Butterblumen. Und viel frische Luft.«
    »Es ist kalt, und meistens regnet’s, und wenn man fast fertig ist, stoßen die blöden Kühe den Eimer um. Erzähl mir bloß nichts vom Melken. Oder vom Hüten von Schafen und Gänsen. Ich habe unseren Bauernhof gehaßt.«
    »Oh.«
    »Außerdem sollte ich mit fünfzehn meinen Vetter heiraten.«
    »Ist das erlaubt?«
    »Ja, natürlich. In meiner Heimat heiraten alle Mädchen ihre Vettern.«
    »Warum?« fragte Victor.
    »Um nicht dauernd zu überlegen, wie sie den Samstagabend verbringen sollen, nehme ich an.«
    »Oh.«
    »Was wolltest du werden?« Es gelang Ginger, die ganze Verachtung eines Satzes in nur zwei Buchstaben zu konzentrieren.
    »Nichts«, antwortete Victor. »Ich meine, alles scheint irgendwie interessant zu sein – bis man sich näher damit befaßt. Dann stellt es sich nur als Arbeit heraus. Ich schätze, selbst Leute wie Cohen der Barbar wachen morgens mit dem Gedanken auf: ›O nein, schon wieder muß ich den ganzen Tag lang in irgendwelche Tempel stürmen und mit kostbaren Edelsteinen geschmückte Throne zerstampfen.‹«
    »Er zerstampft Throne?« fragte Ginger. Widerstrebendes Interesse erklang in ihrer Stimme.
    »So steht es in den Geschichten.«
    »Warum?«
    »Keine Ahnung. Vermutlich ist es sein Job.«
    Ginger griff nach einer Handvoll Sand. Er rieselte zwischen ihren Fingern hindurch, und kleine weiße Muschelschalen blieben hängen.
    »Ich war zehn Jahre alt, als der Zirkus in unser Dorf kam«, sagte sie. »Ein Mädchen trat auf. Trug eine mit Pailletten besetzte Strumpfhose. Es balancierte auf einem Seil, machte sogar Saltos. Ich durfte nicht einmal auf einen Baum klettern, aber jenes Mädchen bekam Applaus. Daraufhin entschied ich mich.«
    »Ah«, kommentierte Victor, der sich bemühte, nicht den Faden zu verlieren. »Du hast entschieden, jemand Besonderes zu werden.«
    »Quatsch. Ich entschied, noch mehr zu werden als nur jemand Besonderes.«
    Ginger warf die Muschelschalen in Richtung der untergehenden Sonne und lachte. »Ich werde die berühmteste Person der ganzen Welt; alle verlieben sich in mich; und ich lebe ewig.«
    »Es kann nie schaden, sich Ziele zu setzen«, sagte Victor diplomatisch. »Gibt dem Leben einen Sinn.«
    »Weißt du, worin die größte aller Tragödien besteht?« fragte Ginger und achtete überhaupt nicht auf ihren Begleiter. »Viele Leute finden nie heraus, was sie wollen oder worin sie gut sind. Söhne werden Schmiede, weil ihre Väter Schmiede sind. Denk doch mal an alle diese Leute, die das Zeug zu erstklassigen Flötenspielern haben, aber niemals ein Instrument in die Hand bekommen und sich damit begnügen, ihr Leben lang den Acker zu pflügen. Alle diese Leute, die niemals ihre Talente entdecken. Vielleicht werden sie sogar in der falschen Zeit geboren – in einer Epoche, in der es gar nicht möglich ist, ihre besonderen

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