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Voll im Bilde

Voll im Bilde

Titel: Voll im Bilde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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nach dem Stock und fügte dem Dschungel einige Zacken hinzu.
    »Aber dort liegen die Berge der Sonne«, stellte er fest. »Sind sehr hoch. Mit vielen Schluchten. Und ohne Brücken.«
    M’Bu nahm den Stock, deutete auf den Dschungel und lächelte.
    »Ich weiß, wo es erstklassiges Bauholz von gerade gefällten Bäumen gibt, Boß.«
    »Tatsächlich? Na schön, Junge, aber wie gelangen wir ins Gebirge?«
    »Zufälligerweise sind tausend sehr starke Elefanten dorthin unterwegs, Boß.«
    M’Bu lächelte wieder – bei seinem Stamm war es üblich, die Zähne so zu schleifen, daß sie spitz zuliefen 15 – und reichte den Stock zurück.
    Azhurals Mund klappte langsam auf.
    »Bei den sieben Monden von Nasreem«, hauchte er. »Wir könnten es schaffen. Wenn wir diese Richtung einschlagen, sind’s nur dreizehn- oder vierzehnhundert Meilen. Vielleicht sogar noch weniger. Meine Güte, wir könnten es schaffen.«
    »Ja, Boß.«
    »Weißt du, mein ganzes Leben lang wollte ich etwas Großartiges leisten«, fuhr Azhural fort. »Etwas, das wirklich die Bezeichnung großartig verdient. Ich meine, ein Strauß hier, eine Giraffe dort – später erinnert sich kaum jemand daran, oder?« Er starrte zum Horizont, über dem sich von Purpur bis Dunkelgrau alle möglichen Farben mischten. »Wir könnten es schaffen, nicht wahr?«
    »Klar, Boß.«
    »Über die Berge der Sonne hinweg!«
    »Ja, Boß.«
    Ein aufmerksamer Beobachter konnte weiße Flecken über der Mischung aus Purpur und Grau erkennen.
    »Es sind ziemlich hohe Berge«, sagte Azhural mit leichtem Zweifel.
    »Berg rauf, Berg runter«, erwiderte M’Bu schlicht.
    »Stimmt«, pflichtete ihm Azhural bei. »Ich meine, im Durchschnitt ist alles flach.«
    Erneut blickte er zu den Bergen.
    »Tausend Elefanten«, murmelte er. »Weißt du was, Junge? Als man die Pyramide des Königs Leonid von Ephebe baute… Hundert Elefanten zogen die Karren mit den Steinen. Und am Bau des Rhoxie-Palastes in der Stadt Klatsch, so wird überliefert, waren zweihundert Elefanten beteiligt.«
    Donner grollte in der Ferne.
    »Tausend Elefanten«, wiederholte Azhural. »Tausend Elefanten. Wozu braucht jemand tausend Elefanten?«
     
    Den Rest des Tages verbrachte Victor in einer seltsamen Trance.
    Er ritt und kämpfte, und die Zeit schien wieder in Unordnung zu geraten. Es fiel ihm noch immer schwer, dieses Phänomen zu verstehen. Offenbar konnte das Material geschnitten und so zusammengeklebt werden, daß alles in der richtigen Reihenfolge geschah. Trotzdem gab es unerklärliche zeitliche Lücken. Tugelbend sah, wie einer der Maler ein Schild malte, auf dem stand: »In des Königes Palaste, eine Stunde später.«
    Eine Stunde war verschwunden, einfach so. Natürlich wußte Victor, daß ihm niemand sechzig Minuten seines Lebens gestohlen hatte. In Büchern passierte so etwas dauernd. Und auch auf der Bühne des Theaters. Einmal hatte er eine Gruppe von wandernden Schauspielern beobachtet, und wie durch Magie wechselte die Szene von »Ein Schlachtfeld in Tsort« zu »Die ephebianische Festung in der gleichen Nacht«. Es wurde einfach nur der Vorhang herabgelassen; anschließend polterte es leise dahinter, und dumpfe Stimmen fluchten.
    Doch in diesem Fall war alles anders. Zehn Minuten nach einer bestimmten Aufnahme drehte man eine Szene, die am Tag zuvor stattfand und an einem ganz anderen Ort. Der Grund: Schnapper hatte die Zelte für beide Szenen gemietet und wollte nicht mehr bezahlen als unbedingt notwendig. Man mußte versuchten, nur noch ans Jetzt zu denken, und das fiel Victor schwer, weil er gleichzeitig auf jenes sonderbare Gefühl wartete…
    Es wiederholte sich nicht. Nach einer weiteren halbherzigen Kampfszene meinte Schnapper, der Streifen sei fertig.
    »Drehen wir kein Ende?« fragte Ginger.
    »Das haben wir doch heute morgen gemacht«, antwortete Soll.
    »Oh.«
    Die Kobolde schnatterten, als Gaffer die hintere Klappe des Bilderkastens öffnete. Sie setzten sich auf die Kante, ließen ihre Beine über den Rand baumeln und reichten eine winzige Zigarette von Hand zu Hand. Die Komparsen standen in einer langen Schlange und warteten auf ihr Honorar. Das Kamel trat den Vizepräsidenten für die Verwaltung von Kamelen. Die Kurbeldreher entnahmen ihren Kästen große Spulen und gingen fort, um sich der geheimnisvollen Kurbeldreher-Kunst des Schneidens und Klebens zu widmen. Frau Kosmopilit, Vizepräsidentin der Garderobe, sammelte die Kostüme ein und wackelte fort, vermutlich mit der Absicht, die

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