voll im Einsatz
gestern, haben wir unseren schönst angemalten Karton aufgestellt und außerdem ungefähr zehn Plakate in der ganzen Schule aufgehängt, wo genau draufsteht, was wir anbieten: Hilfe bei allen Liebes- und Lebensfragen für nur einen Euro pro Frage plus frankiertem Rückumschlag – Alle Fragen werden streng vertraulich beantwortet! Und bereits gestern Nachmittag, bei der ersten Leerung, flatterten uns drei Briefe entgegen. Nicht allzu viel, aber selbst das riesigste Riesengeschäft muss natürlich erst mal in Gang kommen.
Heute waren es dann schon elf Briefe. Die haben Dodo und ich gerecht aufgeteilt. Sechs für mich und fünf für Dodo. Die wollten wir abends beantworten und dann am Telefon unsere Antworten kurz besprechen. Denn was immer wir tun – wir arbeiten höchst professionell! (Außerdem ist es ganz witzig, was unsere Mitschüler so alles für Probleme haben, hihihi! – Das meine ich natürlich nicht böse. Dodo und ich sind absolutamente verschwiegen!) Aber wieso war ausgerechnet in Dodos Stapel ein Brief von Henry?
»Lies vor!«, bitte ich hektisch.
Wieso klingt meine Stimme plötzlich so krächzig? Ich werde doch keine Erkältung bekommen?
Dodo kichert noch mal, dann fängt sie an:
»Sehr geehrte Madame Diamant,
ich freue mich, dass Sie Ihre Dienste in unserer Schule anbieten. Meine Situation ist folgende: Bis vor einiger Zeit hatte ich eine Freundin, die Elena heißt. Dann haben wir Schluss gemacht und zwar, weil ich mich in ein anderes Mädchen verguckt habe. Dieses Mädchen hat aber schon einen Freund. Und der ist auch noch ziemlich nett. Meine Frage: Sollte ich trotzdem versuchen, an dieses Mädchen heranzukommen? Oder wäre das nicht fair und sollte ich deshalb lieber einen großen Bogen um sie machen?
Beste Grüße, Ihr Henry Schlichting«
Dodo hält inne. »Na? Was sagst du dazu?«
Ich atme aus. (Habe ich so lange die Luft angehalten? Das wäre ja absoluter Weltrekord!)
»Wow!«, sage ich. »Henry!«
Aber mehr fällt mir leider nicht ein.
Dodo kichert schon wieder. »Was soll ich ihm antworten?«
Darüber kann ich noch gar nicht nachdenken. Ich muss erst mal verdauen, dass Henry in irgendjemanden aus unserer Schule verknallt ist. Und ich dachte, er wäre solo. Na ja, ist er ja offensichtlich auch. Noch. Denn sein Herz ist anscheinend schon wieder kräftig beschäftigt. Hm.
»Wer das wohl ist?«, spricht Dodo mir aus der Seele.
»Wer was ist?«, frage ich, um Zeit zu gewinnen.
»Na, das Mädchen, in das er verliebt ist!«, antwortet Dodo.
»Ja …«, murmele ich nachdenklich. Oh, das wüsste ich wirklich nur zuuuu gerne!
»Wir sollten ihm zurückschreiben und ihn fragen«, schlägt Dodo vor.
»Blödsinn«, korrigiere ich sofort. »Das geht uns doch erstens gar nichts an. Und zweitens klingt das nicht professionell.«
»Soll ich ihm dann schreiben, dass er anständig bleiben und die Finger von einem Mädchen mit Freund lassen soll?«
»Hm …«, mache ich noch mal unentschlossen.
»Bist du noch da?«, fragt Dodos Stimme aus meinem Handy.
» Si, si, claro «, murmele ich.
Dodo kichert. »Ach, weißt du, Tessa, manchmal vermisse ich Ramón.«
» Claro «, wiederhole ich und seufze noch mal, statt mitzukichern.
»Also, was antworte ich nun Henry?«, will Dodo wissen.
»Keine Ahnung«, sage ich schließlich. »War in deinem Stapel.«
Und um nicht zu unfreundlich zu klingen, füge ich schnell hinzu: »Mir fällt einfach nichts Gutes ein, aber ich weiß, dass du das bestimmt muy bien – sehr gut hinkriegst.«
»Hm …«, macht nun Dodo.
»Ich denke, du solltest vielleicht irgendwas von nicht fair erwähnen«, versuche ich, ihr etwas zu helfen. »Schließlich können wir den Leuten nicht den Ratschlag geben, die Beziehungen von anderen kaputt zu machen.«
»Genau!«, gibt mir Dodo recht. »Das wäre ja wohl total daneben!«
»Eben!«, stimme ich zu.
Und außerdem fände ich es ziemlich blöd, wenn Henry plötzlich wieder eine Freundin hätte. Es war gerade richtig nett, dass er immer mal wieder mit Dodo und mir abgehangen hat. Henry sieht ehrlich gut aus! Und überhaupt – ich hatte eigentlich gedacht, dass er sich ein bisschen in mich verguckt hat! Das ist doch wohl das Naheliegendste!
»Na gut«, meint Dodo, »dann mach ich das so. Hast du was Interessantes in deinem Stapel?«
Ich habe gerade erst meine sechs Briefe gelesen. Und als ich mich ans Antworten machen wollte, fiel mir leider Javier ein …
»Nichts Aufregendes«, sage ich. »Eine Tanja aus der Sechsten
Weitere Kostenlose Bücher