voll im Einsatz
Liebesbrief anzugucken.
Ich versuche, an was anderes zu denken. Aber das geht nicht. Und überhaupt bin ich ja deswegen zu Tessa gekommen. Wegen dem Maulwurf. Oder na ja, nicht wegen dem Maulwurf direkt, aber …
Da guckt mich Tessa endlich nicht mehr ganz so böse an. »Was ist denn, Kenny-Maus? Hast du ein Problem?«
Ja! Ja, genau das ist es. Ich habe ein Problem!
»Sag doch!« Tessa setzt sich auf ihr Bett und zieht mich zu sich rüber.
Ach, da muss ich seufzen.
»Kenny-Maus!«, sagt Tessa und sieht richtig erschrocken aus. »Du fängst ja gleich an zu weinen. Was ist denn bloß los?«
»Uuuu …«, mache ich und will mich gerade in Tessas Arme schmeißen, weil alles so scheußlich ist und …
Da steckt Mama plötzlich ihre Nase in die Tür. »TESSA! Wenn du nicht in drei Sekunden in der Küche bist, dann gibt’s ein Donnerwetter!«
Und damit ist Mama auch schon wieder verschwunden und reißt gegenüber die Tür von Malea auf und ich schätze, jetzt kriegt Malea ein Donnerwetter, weil Malea nämlich gestern Abend im Wohnzimmer einen Film geguckt hat, der erst ab sechzehn war und Malea ist ja erst elf. Und so was findet Mama gar nicht gut.
Tessa steht jetzt tatsächlich ganz schnell auf und hat mich wohl total vergessen.
Ich schlucke. Und fange nicht an zu weinen. Aber nun ist der blöde Maulwurf wieder da und dabei wusste ich genau, dass er weg gewesen wäre, wenn ich mich in Tessas Arme hätte schmeißen können.
Tessa saust aus dem Zimmer und rast die Treppe runter.
Und ich stehe immer noch hier. Mit Maulwurf im Bauch und Finger in der Nase.
Keiner hat Zeit für mich. Mama schreibt nur ihre blöden Bücher. Rema ist ständig mit ihrem Burztag beschäftigt. (Was gibt es da eigentlich so viel zu tun? Sucht sie sich etwa selber tagelang in den Geschäften Geschenke aus?) Malea guckt immer bloß langweilige Filme. Papa fummelt im Keller mit seiner dummen Basstrommel rum. Sonst rede ich ja immer mit Livi, aber Livi hat auch überhaupt keine Zeit mehr für mich und liegt nur im Bett und starrt die Decke an und sieht unheimlich krank aus, obwohl sie irgendwie gar nichts hat, also keine roten Punkte im Gesicht oder Husten oder Fieber oder so was. Voll fies ist das. Nein, voll schrecklich ist das.
Und ich habe nicht mal mehr eine Freundin, mit der ich reden kann. Wie kann das Leben denn nur so fiese zu einem sein? Ich hab doch gar nichts Böses gemacht!
Finster gehe ich aus Tessas Zimmer raus. In meinem Zimmer will ich nicht spielen. Da liegt Sinans Brief ausgebreitet auf meinem Bett und tut mir nur weh. Weil er mich daran erinnert, wie schön alles war, bevor ich am Dienstag in die Schule gegangen bin.
Ah, ich werde mal rausgehen und sehen, ob Aurora mit mir spielen will. Seit Dienstag habe ich nämlich mit gar keinem mehr gespielt außer mit mir selber. Und das wird ziemlich schnell langweilig. Und ein bisschen traurig ist es auch irgendwie. Ich meine, wenn einem keiner einfällt, mit dem man spielen könnte.
Ich tapse langsam die Treppe runter und denke an Sinan.
Sinan und ich gehen zusammen. Also jedenfalls in den letzten zwei Monaten sind wir das. Zusammen gegangen, meine ich. Ob wir das jetzt noch tun, weiß ich nicht.
Ach, ich weiß eigentlich überhaupt nichts mehr. Ich verstehe das alles nicht.
Am Dienstag, als Bentje schon von Anfang an so komisch zu mir war, da kam ich in die Klasse und guckte Sinan an und Sinan guckte zurück und lächelte, wie er immer lächelt. Aber dann, dann lächelte er plötzlich auch Gina an. Ich meine, genauso wie er sonst nur mich anlächelt. Da hatte ich schon ein merkwürdiges Gefühl.
Ich bin dann in der Pause zu ihm hingegangen und hab gefragt, ob wir nicht mal wieder Fußballbilder bei ihm angucken wollen. Das macht Sinan nämlich unheimlich Spaß. Ich finde das nicht ganz so spannend, aber ich freu mich immer so doll, wenn Sinan sich freut, und deswegen macht es mir irgendwie dann doch Spaß.
Wir könnten das am Donnerstag machen, hab ich gesagt. Weil ich am Dienstag nämlich am Nachmittag mit Mama Schuhe kaufen musste und Sinan am Mittwoch immer Fußball hat und deswegen mittwochs nie kann. Aber er sagte, er hätte leider auch am Donnerstag keine Zeit, weil er schon was anderes vorhätte.
»Was denn?«, hab ich ganz freundlich gefragt.
Doch da hat Sinan nur so komisch gegrinst und gesagt, dass das doch egal wäre.
Mir war das aber nicht so richtig egal, und das habe ich ihm gesagt.
Daraufhin hat Sinan gesagt: »Du bist aber echt neugierig,
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