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Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)

Titel: Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frau Freitag
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abgeschickt?«
    »Wer nimmt denn mit Kopftuch, Frau Freitag?«
    »Na, vielleicht ein türkischer oder arabischer Arzt.«
    » Abooo , bei türkischer Arzt, wissen Sie, was da immer los ist? Da kommen immer sooo viele Leute.« Kann ich mir vorstellen, wenn ich mir alleine die gesammelten Krankschreibungen meiner Schüler ansehe.
    »Elif, warum bewirbst du dich nicht? Du musst dich mal ranhalten.«
    »Aber ich weiß doch gar nicht, ob ich Realschulabschluss schaffe.«
    »Na, willst du denn warten, bis du den Realschulabschluss n-i-c-h-t geschafft hast und dich erst dann bewerben? Dann gibt es nichts mehr. Ihr müsst das j-e-t-z-t machen.«
    Ich gehe durch den Raum. Da war doch noch ein Schüler mit einem Berufswunsch – wer war das noch gleich? Ach ja, Mustafa, der wollte Mechatroniker werden.
    »Mustafa, was ist mit dir – schon Bewerbungen geschrieben?« Mustafa liegt mit dem Kopf auf dem Tisch. So wie eigentlich in jeder meiner Stunden. Ich vermute Nachtarbeit. Wenn der nachts schläft und tagsüber trotzdem so müde ist, dann muss es was Medizinisches sein. » Janeee , Frau Freitag …«
    »Was JANEE? Ja oder nein?«
    » Üfff , Frau Freitag.« Mit letzter Kraft dreht er den Kopf auf die andere Seite und schließt wieder die Augen. Ich traue mich nicht weiterzufragen. Es kommen nur noch Seufzer.
    Miriam kommt gerade rein, sie war bei der schulinternen Berufsberatung. »Miriam, und wie sieht es aus?«
    »Wie?«
    »Na, worüber habt ihr geredet? Wo willst du dich bewerben? Was hast du Herrn Mahrold erzählt, was sind deine Berufsvorstellungen?«
    »Na, ich will Apothekerin.«
    »Miriam, dazu brauchst du ein Studium. Du machst ja nicht mal den Realschulabschluss.«
    » Janeee , Apothekenhelferin.«
    »Und?«
    »Nichts und.«
    Zufrieden sitzt sie da. Anscheinend reicht es, dem Berufsberater zu sagen, was man werden möchte. Zugegeben, damit liegt Miriam schon ganz weit vorn, denn die meisten in meiner Klasse haben noch gar keinen Zukunftsplan.
    »Miriam, hast du dich denn schon irgendwo beworben?«
    »Nein, wieso?«
    »Wieso??? Na, denkst du, das reicht zu sagen, was du werden willst? Meinst du, Herr Mahrold schreibt jetzt deine Bewerbungen?« Miriam verdreht nur die Augen, holt ihren Spiegel raus und zieht sich den Lidstrich nach.
    »Was ist mit dir, Ayla, hast du dich schon beworben?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich noch gar nicht weiß, was ich werden will.«
    Ich plädiere dafür, die Schulzeit auf reguläre sechzehn Jahre auszudehnen. Die Schüler hätten nichts dagegen. Ach, lassen wir sie doch gleich so lange in der Schule, bis sie selbst Kinder bekommen. Sie könnten auch mit ihren eigenen Kindern in einer Klasse sitzen. Disziplinierend auf sie einwirken und so. Ob die nun von einer Maßnahme in die nächste wandern oder jahrelang kuschelig bei Frau Freitag in der Klasse sitzen und alle paar Wochen fragen »Gehen wir Klassenfahrt?«, ist doch eigentlich egal.
    Das Leben meiner Schüler in dieser heimeligen, eskapistischen Parallelwelt, in der es fürs Schwänzen keine Sanktionen gibt, in der gruselige Dinge wie Bewerbungsschreiben und die Anmeldung zur Realschulprüfung nicht vorkommen, beschäftigt mich sehr. Wenn ich darüber spreche, bekomme ich schlechte Laune und ein schlechtes Gewissen und frage mich: Warum fühle ich mich dafür so verantwortlich?
    Ist das mein Job? Bin ich denn für das weitere Leben und die Zukunftsplanung meiner Schüler verantwortlich? Sollten das nicht die Eltern sein? Was denken die sich eigentlich? Sprechen die mit ihren Kindern über deren Berufswünsche? Das muss ich die Schüler unbedingt am Montag fragen, und beim Elternsprechtag werde ich die Eltern auch noch persönlich dazu interviewen.
    Was ist das für ein komischer Beruf, die Verantwortung für 28 Teenager und ihr Leben zu haben? Wie fühlen sich denn Menschen in anderen Berufen? Fühlen sich die Leute im Jobcenter auch so verantwortlich, wenn sie jemanden in eine Maßnahme schicken und der da nicht ankommt? Ärgern sich Ärzte darüber, wenn der Patient mit chronischem Lungenleiden nicht mit dem Rauchen aufhört? Kann der Finanzminister nachts nicht schlafen, weil Deutschland so viele Schulden macht? Hilft Supervision?
    Ich verstehe schon, warum ich mich so fühle, so verantwortlich. Wenn ich diese Verantwortung nicht übernehmen würde, könnte ich gar keine Klassenlehrerin sein. Jedenfalls nicht an unserer Schule. Wenn mir deren Zukunft egal wäre, wer würde sich denn dann überhaupt noch um die Schüler

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